Ein langsamer Sieg: Nazischicksale nach der Wannseekonferenz
Bundeskanzler Olaf Scholz und der israelische Ministerpräsident Jair Lapid besuchten am 12. September mit Überlebenden der Schoah die Villa am Wannsee, in der im Januar 1942 die »Endlösung« der Judenfrage mit deutscher Gründlichkeit ins Werk gesetzt wurde. Das ist sicher aller Ehren wert.
Wer sich aber einmal die Mühe macht und nachforscht, was aus den 15 Teilnehmern der Konferenz in der Wannsee-Villa, »diesem furchtbaren Ort« geworden ist, kann Erstaunliches zutage fördern.
Neben Reinhard Heydrich, der Ende 1942 bei einem Attentat in Prag schwer verletzt wurde und acht Tage später starb, Alfred Meyer und Rudolf Lange, die 1945 Suizid begingen, Roland Freisler, der 1945 bei einem Bombenangriff umkam, Martin Luther, der im KZ Sachsenhausen als Sondergefangener interniert wurde und kurz nach der Befreiung durch die Rote Armee starb, und Heinrich Müller, über dessen Verbleib nach 1945 nichts bekannt ist, wurden Karl-Eberhard Schöngarth 1946 und Adolf Eichmann, nach unbehelligtem Leben in Argentinien, 1962 hingerichtet. Schöngarth von den Briten und Eichmann nach einem Prozess in Jerusalem. Friedrich Kritzinger war nach 1945 mehrfach interniert, wurde aus gesundheitlichen Gründen entlassen und starb 1947, bevor ein Verfahren gegen ihn geplant werden konnte.
Josef Bühler, promovierter Jurist, ist im April 1946 Zeuge der Verteidigung von Hans Frank vor dem Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg. Er wird danach an Polen ausgeliefert, in Krakow im Juli 1948 zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Die »Besprechung mit Frühstück«, deren Thema die systematische, industriell betrieben Ermordung von elf Millionen Juden war, von denen sechs Millionen mit Zyklon B umgebracht wurden, erschossen wurden, verhungerten, an den Folgen der Folter oder unmenschlicher Arbeit starben, überstanden die restlichen fünf deutschen Beamten erstaunlich gut. Nur der Vollständigkeit halber: alle in der BRD.
Wilhelm Stuckart, promovierter Jurist, wurde nach 1945 zu einer geringen Strafe verurteilt, die bereits verbüßt war. 1952 wurde er gegen eine Geldbuße von 500 Mark (!) entnazifiziert und starb 1953 bei einem Autounfall. Erich Neumann saß nach 1945 drei Jahre in Haft, wurde aus gesundheitlichen Gründen entlassen und starb 1951 in seinem Bett. Gerhard Klopfer, promovierter Jurist, tauchte 1945 unter, wurde im Jahr darauf interniert und saß drei Jahre in Haft. Ein Verfahren gegen ihn kam nie zustande. Er arbeitete ab 1956 als Rechtsanwalt in Ulm, wo er 1987 starb. »Nach einem erfüllten Leben zum Wohle aller, die in seinem Einflussbereich waren«, wie es in seiner Todesanzeige hieß. Georg Leibbrandt, ein promovierter Historiker, war von 1945 bis 1949 interniert, zu einem Verfahren gegen ihn kam es bis zu seinem Tod im Jahre 1982 nicht. Otto Hofmann wurde 1948 wurde zu 25 Jahren Haft verurteilt, doch nach neun Jahren 1954 entlassen. Lebte als Angestellter in Württemberg und starb 1982.
Dass nun Überlebende der Schoah an diesem Ort mit dem israelischen Ministerpräsidenten und dem deutschen Bundeskanzler zusammentrafen, ist sicher bemerkenswert. Es zeige, so Scholz, dass »die Nazis besiegt worden sind …« Bei manchen hat es nur etwas länger gedauert, und ihre Urenkel kriechen längst wieder frech aus ihren Löchern.