Vor 60 Jahren setzten die USA in Vietnam zum ersten Mal »Agent Orange« ein. Die Folgen waren katastrophal. Gerechtigkeit haben die Opfer bis heute nicht erfahren.
Der 10. August 1961 markiert den Beginn eines der großen Verbrechen der USA gegen die Menschheit. Das Datum gilt als Beginn des Einsatzes von »Agent Orange«, um die Urwälder Vietnams zu entlauben. Die bis heute nachwirkenden Folgen waren kein bedauerlicher Kolateralschaden, sondern einkalkuliert. Der Einsatz der Pflanzenvernichtungsmittel aus den Chemiefabriken von Dow Chemical, Monsanto und mehreren Dutzend anderen Firmen war ein völkerrechtswidriger Chemiewaffeneinsatz und die wohl schlimmste bewusst geführte ökologische Kriegführung der Geschichte.
Doppelstrategie
Nach der Niederlage der französischen Kolonialmacht Frankreich im Jahr 1954 in den Schlachten von Dien Bien Phu und der durch die USA betriebenen Spaltung des Landes unter Bruch des Genfer Vertrags begannen mehrere Regierungen der USA, die Fremdherrschaft über Vietnam nahtlos fortzusetzen. Die in Genf als vorläufig definierte Grenze zwischen dem Norden und dem Süden des Landes entlang des 17. Breitengrads wurde von den USA als endgültig definiert. Im Süden wurde eine von Washington gesteuerte antikommunistische Marionettenregierung installiert. Hanoi blieb allerdings die Hauptstadt der Demokratischen Republik Vietnam unter Führung von Ho Chi Minh, der einer aus den Befreiungskräften hervorgegangenen und vom Volk gewählten Regierung vorstand. Diese wurde im Rahmen des Kalten Krieges vom Westen unisono zum Feind erklärt. Das gebrochene Versprechen, in ganz Vietnam Wahlen für ein geeintes Land durchzuführen, schuf im Süden eine zunächst rein politisch, später aber auch militärisch agierende Bewegung mit dem Ziel, die neue Fremdherrschaft abzuschütteln und ein unabhängiges Vietnam aufzubauen.
Der »erste« Krieg erfolgte ab 1964 und begann mit einer Lüge: Das US-Kriegsschiff »Maddox« sei durch vietnamesische Schiffe angegriffen worden. Der darauf folgende Luftkrieg richtete sich gegen die Infrastruktur im Norden Vietnams, darunter zivile Einrichtungen wie Krankenhäuser. Er endete erst 1972. Dabei wurden über Vietnam mehr Bomben abgeworfen als dies im Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland geschah.
Der »zweite« Krieg wurde auf dem Territorium Südvietnams mit Bodentruppen gegen die Befreiungsbewegung ausgefochten. Die US-Soldateska ging mit unglaublicher Brutalität gegen die Zivilbevölkerung vor. Dies geschah vor den Augen von amerikanischen und internationalen Journalisten, deren Aufnahmen es in die Abendnachrichten auch des bundesdeutschen Fernsehens schafften. Zu den Folgen, die weit über das Kriegsende hinauswirkten, gehörte der flächendeckende Einsatz von Herbiziden.
Vollständige Vernichtung
»Agent Orange« ist ein aus verschiedenen hochwirksamen chemischen Stoffen bestehendes Pflanzenvernichtungsmittel, das von der US-Militärführung in Vietnam eingesetzt wurde. Der Name Orange kommt von einer orangefarbenen Markierung auf den Fässern, in denen das Herbizid angeliefert wurde. Es gab zusätzlich »Agent White«, »Agent Blue«, »Agent Purple« usw. Aufgrund der Herstellung großer Mengen von »Agent Orange« in kurzer Zeit nahmen die Hersteller Verunreinigungen mit dem Giftstoff 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (TCDD) in Kauf.
Dem US-Kommando zufolge wurden die Herbizide zum Auffinden der Partisanenzentren und zur Unterbrechung der Lebensmittelversorgung der Nationalen Front zur Befreiung Südvietnams gezielt eingesetzt. Mit den Giftstoffen sollten die vietnamesischen Freiheitskämpfer aus ihren unterirdischen Zufluchtsstätten herausgetrieben und von der einheimischen Bevölkerung isoliert werden. Die US-Armee beschränkte sich bei ihren Operationen in den tropischen Wäldern in der Regel jedoch nicht auf bloße Entlaubungsaktionen, sondern vernichtete die Pflanzen- und Tierwelt vollständig. Die Herbizide wurden in ungeheuer starken Konzentrationen eingesetzt. Zusätzlich wurden die ausgetrockneten Wälder durch Napalm in Brand gesetzt.
Das zweite Hauptziel des Einsatzes von »Agent Orange« und weiterer Herbizide galt der gezielten Vernichtung der Ernte. Zirka 90 Prozent der Bevölkerung lebte zu jener Zeit auf dem Land. Die Besprühung der Reis- und Gemüsefelder sollte nicht nur die Versorgung der Befreiungskräfte unterbrechen, sondern auch das Aushungern der Bevölkerung bewirken und beide, Bevölkerung wie Befreiungsbewegung, spalten. Neben der Vernichtung der Ernte und der Zerstörung der Anbauflächen durch langfristige Vergiftung der Böden verbrannte die Besatzungstruppen systematisch die Reisvorräte in den Dörfern und bombardierten die für den Reisanbau wichtigen Deichsysteme.
Verbotene Kriegführung
Die Kriegführung durch Herbizide stellte eine grobe Verletzung des Genfer Protokolls gegen den Einsatz von chemischen Waffen aus dem Jahr 1925 dar. Unter dem Eindruck des Giftgaseinsatzes im Ersten Weltkrieg, bei dem etwa 65.000 Menschen durch Kampfgas wie Phosgen umgekommen waren und etwa zwei Millionen Menschen unheilbare Verletzungen erlitten hatten, traten viele Staaten unmittelbar dem Genfer Protokoll bei. Die USA gehörten bis 1975 nicht zu den Unterzeichnern.
Im November 1969 sollte eine Stellungnahme des Außenministeriums zu diesem Protokoll bekräftigen, dass die USA auf die Erstanwendung chemischer Waffen verzichteten. Einem Freibrief kam die Erklärung gleich, dass nach Auffassung der US-Regierung das Genfer Protokoll nicht den militärischen Einsatz von Herbiziden tangiere.
Seit den 1960er Jahren bemühten sich die Vereinten Nationen um einen Nachfolgevertrag zum Verbot von chemischen und biologischen Waffen. Mitverantwortlich dafür war der Einsatz von »Agent Orange«. Die blockfreien Staaten und die Sowjetunion plädierten dafür, das Verbot solcher Waffen in einem gemeinsamen Vertrag zu regeln. Dies lehnten die USA und andere westliche Mächte ab.
Auch das gezielte Aushungern von Zivilpersonen zählt zu den Methoden der verbotenen Kriegführung. »Wer im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt mit militärischen Mitteln einen Angriff durchführt und dabei als sicher erwartet, dass der Angriff weitreichende, langfristige und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen wird«, dem droht Strafe. Selbst wenn zum Zeitpunkt des Krieges in Vietnam völkerrechtlich einige Aspekte juristisch noch nicht definiert waren – die menschenrechtswidrigen Auswirkungen des Einsatzes von »Agent Orange« waren mit bloßem Auge sichtbar.
Fatale Folgen
Innerhalb weniger Stunden verdorrten bereits die Blätter der Obstbäume. Kurze Zeit später fiel auch das Laub der großen Urwaldbäume, tote Enten lagen zu Hunderten in den Teichen. Menschen, die mit dem Gift in Kontakt kamen, litten an Atemnot, ihre Haut wies starke Verätzungen auf, die Menschen wurden kraftlos. Durch die nachfolgenden Bombardierungen und den Abwurf von Napalm wurden die an Pflanzen und Tieren reichen Urwälder in Einöden verwandelt.
Zu den katastrophalen gesundheitlichen und ökologischen Schäden kamen die kolossalen wirtschaftlichen Einbußen für die Bewohner der besprühten Gebiete. Das waren keine Großgrundbesitzer, sondern Kleinbauern. Fünf Millionen Hektar wertvolles Holz, also die Hälfte der Bestände, wurden zerstört oder schwer beschädigt. Auch Heilpflanzen, aus denen die Menschen zu diesen Zeiten noch einen Großteil der Medikamente gewannen, wurden vernichtet.
Besonders heftige Auswirkungen hatten der kombinierte Einsatz von »Agent Orange« und Bombardements auf die Mangrovenwälder, die aufgrund ihres Reichtums an Fischen und Meeresfrüchten eine wichtige Nahrungsquelle der in diesen Regionen lebenden Menschen abgeben und außerdem einen Schutzwall gegen eindringendes Meerwasser, Versalzung und Abschwemmung der Küste bieten. Da sich Dioxin nur sehr langsam aus den Böden ausschwemmt, waren ganze Landstriche partiell vergiftet. All dies war der US-Militärführung bekannt.
Auch den Menschen in Vietnam war nach den Angriffen bewusst, dass sie auf vergifteten Böden pflanzten und ernteten. Auf die Frage, warum dort trotzdem Reis und Gemüse angebaut würde, antwortete ein Vietnamese noch 1988 bei einem Besuch in der Provinz Tay Ninh: »Wovon sollen wir denn leben, wir können doch nicht die Erde einer ganzen Provinz austauschen.« Das Gebiet im Mekongdelta an der Grenze zu Kambodscha gehörte zu den besonders stark besprühten Regionen.
Eine der schlimmsten Langzeitfolgen von »Agent Orange« sind die durch das Dioxin verursachten genetischen Schäden, Krebserkrankungen und andere Leiden. Mehr als vier Millionen Menschen sind bis heute bis in die vierte Generation hinein betroffen. Die ersten Hinweise auf diese Folgen gab es bereits 1968. Eine junge Geburtshelferin bemerkte bei Neugeborenen in der Frauenklinik in Saigon Veränderungen. Sie stellte fest, dass die Zahl der Babys mit Missbildungen in die Höhe schnellte. Immer wieder wurden Kinder mit einer offenen Nasen-Gaumen-Spalte, ohne Augen und Nasen geboren. Es dauerte jedoch bis 1975, um den engen Zusammenhang zwischen den Missbildungen und »Agent Orange« vollends zu erkennen. Die damalige Geburtshelferin machte diese Sache zu ihrer Lebensaufgabe. Nguyen Thi Ngoc Phuong wurde später Chefärztin am Krankenhaus für Geburtshilfe und Gynäkologie und begann Anfang der 1980er Jahre über diesen Zusammenhang systematisch zu forschen, zu publizieren und zu referieren. Über sie gelangten die ersten Berichte 1984 auch in die Bundesrepublik. Der Spiegel berichtete, ansonsten war damals das Interesse an der Geschichte noch gering. Vietnam stand schließlich auf der falschen Seite des Kalten Krieges. Phuong haben bis heute das Thema und ihre Sorge um die Opfer von »Agent Orange« nicht losgelassen. Mit weit über 75 Jahren ist sie noch heute Vizepräsidentin der vietnamesischen »Vereinigung der Opfer von Agent Orange« (VAVA) und bildet in den ländlichen Gebieten Krankenpflegerinnen aus.
Solidarität unter Betroffenen
Einer ihrer ersten Patienten war Nguyen Duc. Seine Mutter war mit »Agent Orange« in Berührung gekommen und gebar 1981 in Saigon zwei Jungen mit den Namen Viet und Duc, die miteinander verwachsen waren. Bis 1988 lebten sie in der Frauenklinik unter der Obhut von Phuong. Danach wurden sie in einer spektakulären Operation in Japan getrennt, die beide überlebten.
Einer der beiden, der jetzt 40 Jahre alte Duc, arbeitete in den letzten Jahren als Angestellter in einem Krankenhaus in Vietnam. Jedes Jahr reiste er mehrfach nach Japan, um über »Agent Orange« und den Krieg der USA zu informieren. Jetzt hat er zusammen mit seiner Frau in Ho-Chi-Minh-Stadt ein Restaurant eröffnet und will damit nicht nur zu seinem eigenen Lebensunterhalt beitragen, sondern auch anderen Opfern helfen. »Ich hoffe, dass unsere Gewinne, wenn auch nur in geringem Umfang, zur Unterstützung der Opfer des giftigen Entlaubungsmittels und ihrer Familien verwendet werden«, sagte er Asahi Shimbun, der zweitgrößten Zeitung Japans. Nguyen Ducs Bruder Viet starb bereits 2007.
Ein weiteres Opfer, das sich für die Belange anderer Betroffener einsetzt, ist Diem Trong Thach aus der nördlichen Provinz Bac Ninh. Fünf der sieben Mitglieder seiner Familie, darunter er selbst und seine vier Kinder, sind von den Folgen des Kampfmitteleinsatzes betroffen. Der Kriegsveteran und seine Familie betreiben eine Werkstatt für den Umbau von Zweirädern in Dreiräder für Menschen mit Behinderungen.
Wie viele andere junge Menschen ging Thach 1972 in die Armee und arbeitete als Ingenieur bei der Division 338 auf dem berühmten Schlachtfeld von Khe Sanh in der Zentralprovinz Quang Trị. Nach der Befreiung des Landes kehrte er nach Hause zurück und heiratete. Das Paar bekam vier Söhne. Aber der Krieg war für die beiden nicht zu Ende, denn alle vier Kinder wurden mit einer Muskelschwäche geboren.
Damals schien es, als litten die Kinder an einer unbekannten, aber grausamen Krankheit. In der Hoffnung, eine Heilung zu finden, liehen sie sich Geld von Verwandten und brachten die Jungen in eine Reihe von Krankenhäusern. Im Kinderkrankenhaus Hanoi erhielten sie die erschütternde Nachricht, dass die Behinderung der Söhne auf »Agent Orange« zurückzuführen sei. Thach und seine Frau beschlossen, sich der Realität zu stellen.
Thachs Wunsch war es, seinen Kindern Mobilität zu ermöglichen, und so beschloss er, ein spezielles Fahrzeug zu schaffen. Nach fast einem Jahr des Experimentierens hatte er ein Dreirad so konstruiert, dass es auch in bergigen Regionen sicher und verkehrstauglich war. Seine Kinder stellten das Gefährt im Internet vor, woraufhin so viele Anfragen eintrafen, dass Thach eine Werkstatt eröffnen konnte, um Motorräder für Behinderte herzustellen. Seit einiger Zeit produziert er auch Dreiräder mit Elektroantrieb. Er stellt pro Monat vier oder fünf der Gefährte her. »Wenn wir zurückblicken, gab es eine Zeit, in der wir uns alle hoffnungslos fühlten und nur unser Schicksal verfluchen konnten, anstatt in die Zukunft zu blicken«, sagt Thach heute. »Jetzt sehen wir als Großeltern, wie bedeutsam das Leben ist.«
Ungleichbehandlung
Das Verbrechen, das die USA mit dem Einsatz von »Agent Orange« verübt haben, ist heute weltweit bekannt, und es gibt in vielen Ländern Initiativen, die den Betroffenen helfen. Auch in den USA gibt es sie, obwohl die US-Regierung und die Konzerne, die sich an dem Gift einst goldene Nasen verdienten, jeden Zusammenhang zwischen »Agent Orange« und den Krankheiten kategorisch abstreiten.
Doch auch hier gibt es mittlerweile kleine Erfolge. Die Regierung der USA beteiligt sich über nachgeordnete halbstaatliche Institutionen an der Entgiftung von sogenannten Dioxin-Hotspots – ehemalige Militärflughäfen, an denen immer noch eine besonders hohe Dioxinverseuchung festgestellt werden kann. Die »Agent Orange«-Rückstände werden hier weiterhin aus den Böden ausgeschwemmt und verursachen bei der lokalen Bevölkerung akute Neukontaminationen. Auf diesen Flughäfen waren Tausende Fässer mit Herbiziden gelagert, umgeladen und dabei unsachgemäß behandelt worden. Fässer fielen aus dem Flugzeug und von Lkw, platzten und liefen aus.
Die Krankheiten, die »Agent Orange« auslösen kann, sind auch in den USA bekannt, denn neben den Opfern in Vietnam gibt es US-Kriegsveteranen, die während ihres Einsatzes in Vietnam mit dem Gift in Berührung kamen. Das »US-Department of Veterans Affairs« hat eine Liste der von dem Herbizid ausgelösten Leiden zusammengestellt. Sie wird ständig erweitert und umfasst mittlerweile fast 20 Positionen. 2021 wurden Blasenkarzinome, Parkinson und spezielle Schilddrüsenunterfunktionen neu aufgenommen. Für die US-Veteranen bedeutet die Erkrankung an einem dieser Leiden den Zugang zu verbesserten medizinischen Behandlungen. Viele erhalten auch Geld als Schadenersatz. Das wurde den US-Veteranen allerdings nicht geschenkt. Sie mussten dafür politisch und juristisch kämpfen, und längst nicht jedem, der einen entsprechenden Antrag gestellt hat, wurde Unterstützung gewährt. Von den 105.000 Anträgen, die im Rahmen des Zahlungsprogramms eingingen, erhielten nur etwa 52.000 Vietnamveteranen oder ihre Hinterbliebenen Barzahlungen in Höhe von durchschnittlich 3.800 US-Dollar (etwa 3.230 Euro) pro Person.
Vergleichbare Unterstützung für die vietnamesischen Veteranen oder ihre Hinterbliebenen gibt es nicht. Die US-Regierung hat nach langen Verhandlungen mit nichtstaatlichen Organisationen in Vietnam zugelassen, dass NGOs aus den USA, wie die Ford-Stiftung und die Aspen-Stiftung, im Rahmen eines »Corporate Philanthropy Programs« in Vietnam Gesundheits- und Behindertenprojekte finanzieren können. Diese Unterstützung war zuvor nicht erlaubt. Und die Hilfen dürfen explizit nicht nur »Agent Orange«-Opfern zugutekommen, sondern müssen ganz allgemein für Behinderte gewährt werden. Zugelassen wird lediglich eine Fokussierung auf die Gebiete, die am stärksten besprüht wurden und eine hohe Zahl an Menschen mit Behinderung aufweisen.
Politisch hält die US-Administration daran fest, jede direkte und indirekte Verantwortung für ihre Verbrechen abzustreiten. Aus Sicht vieler Menschen, die sich weltweit, auch in den USA, für Gerechtigkeit für die vietnamesischen Opfer eingesetzt haben und immer noch einsetzen, ist dies ungeheuerlich. Le Ke Son zum Beispiel hat 20 Jahre lang als Vertreter Vietnams und der »Agent Orange«-Opfer für US-Hilfen verhandelt und gestritten und versucht, einen Kompromiss zu finden. Vietnam hat sich dazu entschieden, den USA einen Gesichtsverlust zu ersparen.
Die Überwindung der Folgen von »Agent Orange« waren und sind für den vietnamesischen Staat und die Grundorganisationen der Kommunistische Partei seit der Wiedervereinigung Vietnams 1976 eine Herausforderung. Diese aus eigener Kraft zu bewältigen war allerdings angesichts der riesigen Zahl von Betroffenen nahezu unmöglich.
Ein großer Teil der Hilfe für die Unterstützung der Betroffenen läuft bis heute über vietnamesische und internationale Hilfsorganisationen. Vor allem die VAVA und das Rote Kreuz Vietnam führen zum vietnamesischen Neujahrsfest und am 10. August jährlich großangelegte Spendengalas, Solidaritätsmärsche und Spendenaufrufe durch, über die jeweils Beträge in Millionenhöhe zusammenkommen.
Deutsche Mitschuld
Unter den Nutznießern des Kriegsverbrechens, das darf nicht vergessen werden, sind auch Deutsche. 1967 konnte der jährliche Bedarf der US-Armee nicht mehr aus eigenen Ressourcen gedeckt werden. Böhringers Herbizidwerk bei Hamburg habe daraufhin, so lautet der Verdacht, 720 Tonnen Trichlorphenolatlauge produziert, das zur Herstellung von »Agent Orange« geliefert wurde. Das Unternehmen streitet dies jedoch ab. Es räumt lediglich ein, dass es Verhandlungen gegeben habe, erklärt aber, ein Vertrag sei nicht zustande gekommen.
Unleugbar ist jedoch die Übernahme von Monsanto, einem erwiesenen Großhersteller von »Agent Orange«, durch den Bayer-Konzern 2016. Als jetziges Mutterunternehmen von Monsanto führt Bayer Prozesse, nicht nur gegen heutige Opfer des Herbizids »Roundup«, sondern auch gegen die Betroffenen aus dem Vietnamkrieg. Erst jüngst verwehrten Bayer und deren Anwälte der Vietnamesin Tran To Nga jegliche Schadenersatzzahlungen.
Auch wenn die betroffene Klägerin den Prozess im Mai 2021 vor einem französischen Gericht verlor, wird die juristische Auseinandersetzung weitergehen. Die Klägerin und ihre Unterstützerinnen und Unterstützer haben Revision eingelegt. Die Berufung wurde angenommen, als neuer Termin wurde der Sommer 2022 angesetzt. Vietnams Botschafter bei den ASEAN-Staaten wertete das Urteil als zynisch, feige und unannehmbar und fügte hinzu: »Mit seinem Beschluss hat das Gericht abgelehnt, das Menschenrecht auf Wahrheit anzuerkennen und Gerechtigkeit walten zu lassen gegenüber Konzernen, die verantwortlich sind für die andauernden Leiden der Bürger.«
Anmerkungen und Quellen
https://www.dw.com/de/agent-orange-der-lange-schatten-des-vietnamkriegs/a-57459748
Agent Orange ist die militärische Bezeichnung eines chemischen Entlaubungsmittels, das die USA im Vietnamkrieg und im Laotischen Bürgerkrieg[1] großflächig zur Entlaubung von Wäldern und zur Zerstörung von Nutzpflanzen einsetzten. Die US-Streitkräfte setzten es im Januar 1965 erstmals im Rahmen der Operation Ranch Hand ein, um der feindlichen Guerillabewegung FNL („Vietcong“) die Tarnung durch den dichten Dschungel zu erschweren und deren Nahrungsversorgung zu stören. Es wurde von Flugzeugen oder Hubschraubern großflächig versprüht. Da das Herbizid herstellungsbedingt mit 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (TCDD) verunreinigt war, erkrankten viele hunderttausend Bewohner der betroffenen Gebiete und bis zu zweihunderttausend US-Soldaten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Agent_Orange
https://www.spektrum.de/news/das-gift-das-bleibt/1652026
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/bayer-klage-agent-orange-101.html
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