Vor 75 Jahren begann mit der Schlacht bei El Alamein die Vertreibung der deutsch-italienischen Truppen aus Nordafrika. Meldungen Rommels seit Beginn der Schlacht von El Alamein erweckten im OKW den Eindruck, die Lage sei durch »eisernen Willen« beherrschbar. Am 2. November beschrieb er erstmals realistisch die Situation der deutsch-italienischen Panzerarmee.
Seit Frühsommer 1940 bereiteten die Nazis den für 1941 vorgesehenen Überfall auf die Sowjetunion vor. Um in diesem Fall einen Zweifrontenkrieg zu vermeiden, strebten sie eine Übereinkunft mit Großbritannien an. Nach dem »Blitzsieg« über Frankreich im Mai 1940 war die deutsche Führung der Meinung, dass das Königreich zu einem Agreement mit den Faschisten bereit sei. London ließ jedoch verlauten, weiter kämpfen zu wollen. Die Wehrmachtsspitze glaubte, dass mit einer Mischung aus politischen Angeboten und militärischem Druck ein Meinungsumschwung herbeigeführt werden könne. Der Generalstabschef des Heeres, Franz Halder, schrieb am 30. Juni 1941: »England wird voraussichtlich noch einer Demonstration unserer militärischen Gewalt bedürfen, ehe es nachgibt und uns den Rücken frei lässt für den Osten.« Am gleichen Tag notierte der Chef des Wehrmachtsführungsamtes im Oberkommando der Wehrmacht, Alfred Jodl: »Wenn politische Mittel nicht zum Ziele führen, muss der Widerstandswille Englands mit Gewalt gebrochen werden.« Das könne auch »durch die Ausweitung des Krieges an der Peripherie« des Empire erreicht werden. »Am wirksamsten«, so Jodl, »ist eine italienische Angriffsoperation gegen den Suezkanal«. Das Mussolini-Regime wurde gedrängt, von seiner Kolonie Libyen aus Ägypten anzugreifen. Berlin versprach Waffenlieferungen und täuschte den Verbündeten. Obwohl die Invasion der Britischen Inseln längst aufgegeben war, sagte man, die Landung werde bald erfolgen, so dass London seine Truppen in Ägypten nicht unterstützen könne.
Katastrophe für Mussolini
Am 12. September 1940 drangen italienische Verbände in Ägypten ein. Etwa 60 Kilometer hinter der Grenze wurde der Angriff aus Mangel an Nachschub eingestellt. Der Vorstoß machte den Briten die Gefährdung ihres Einflussgebietes in Nordafrika durch die Faschisten deutlich. Im Dezember begann ihre Gegenoffensive, die zu einer Katastrophe für Mussolinis Truppen wurde. Die zahlenmäßig erheblich schwächeren Truppen der Western Desert Force vernichteten die 10. italienische Armee, machten etwa 130.000 Gefangene und erbeuteten riesige Mengen an Waffen und Material. Bis zum 9. Februar 1941 eroberten sie den östlichen Teil Libyens, die Cyrenaika. Rom befürchtete, dass die Briten ganz Libyen erobern könnten und wandte sich mit einem Hilferuf an Berlin. Die Nazis reagierten schnell. Eine Vertreibung der Italiener aus Nordafrika hätte nach dem Desaster der Mussolini-Truppen bei ihrer im Oktober 1940 begonnenen Aggression gegen Griechenland eine weitere militärische und politische Schlappe für die Achsenmächte so kurz vor dem Überfall auf die UdSSR bedeutet. Und Großbritannien wäre der Herr über die Südküste des Mittelmeeres gewesen, mit großen Möglichkeiten für Operationen gegen Italien. Am 11. Januar 1941 wurde die Entsendung zweier deutscher Panzerdivisionen beschlossen. Den Befehl über das Deutsche Afrikakorps übernahm Erwin Rommel, dem man auch die motorisierten italienischen Verbände in Libyen unterstellte. Er sollte die verlorengegangenen Gebiete wieder zurückerobern. Die deutsche Führung plante danach einen Vorstoß zum Suezkanal. Diese Operation sollte der südliche Arm einer Zangenbewegung werden. Gleichzeitig wollte man durch Bulgarien und die Türkei sowie über den Kaukasus nach Süden marschieren und sich bei Haifa mit Rommels Truppen vereinen.
Ab März 1941 kam es zu zahlreichen Gefechten mit den Briten ohne Geländegewinne. Für das Frühjahr 1942 plante Rommel die entscheidende Offensive. Dazu flog er nach Berlin, um für verstärkten Nachschub zu sorgen. Die Militärführung machte ihm klar, dass er nicht damit rechnen könne. In wenigen Wochen sollte die als besonders wichtig angesehene Operation »Blau« gegen Stalingrad und Astrachan sowie gegen den Kaukasus beginnen (siehe jW-Thema vom 27.6.2017) Dazu wurden alle Ressourcen gebraucht. Nordafrika blieb für die Wehrmacht Nebenkriegsschauplatz.
Mit den letzten Reserven begann Rommel die Offensive. Es gelang ihm, Ende Juni die britische Festung Tobruk mit dem wichtigen Hafen zu erobern. Eine große Menge Treibstoff und anderer Güter fiel ihm in die Hände. Das inzwischen in Panzerarmee Afrika umbenannte deutsche Truppenkontingent stieß zusammen mit unterstellten italienischen Verbänden weit nach Ägypten vor. Bei der Bahnstation El Alamein 80 Kilometer vor Alexandria musste Rommel wegen fehlenden Nachschubs den Vormarsch abbrechen und zur Verteidigung übergehen. Die Briten hatten eine durch die teils demütigenden Niederlagen ausgelöste Führungskrise überwunden und die 8. Armee, die Nil-Armee, beträchtlich verstärkt. Im August 1942 wurde Bernard Montgomery zum neuen Oberbefehlshaber ernannt mit dem Auftrag, eine Großoffensive gegen die faschistischen Truppen vorzubereiten. Mit ihm setzte London Rommel einen strategisch denkenden, systematisch arbeitenden Offizier entgegen.
Schöngefärbte Berichte
Am 23. Oktober 1942 eröffneten die britischen Truppen die Schlacht. Sie sollte sich als Beginn einer strategischen Niederlage für die Achsentruppen entwickeln. Nach schweren Kämpfen gelang Montgomery am 3. November der Durchbruch. Rommel musste sich fluchtartig zurückziehen. Ende 1942 erreichte er die libysch-tunesische Grenze.
Von der britischen Offensive wurden die Deutschen überrascht. Die Wehrmachtsführung und Hitler reagierten verstört. Bis dahin hatte Rommel durch schöngefärbte Berichte für eine euphorische Stimmung im »Führerhauptquartier« gesorgt. Hitler vergaß die Enttäuschung, die ihm sein zur Propagandaikone aufgebauter »Lieblingsgeneral« bereitet hatte, nicht. Als dessen äußerst vage Verbindung zu den Putschisten des 20. Juli 1944 bekannt wurde, zwang man ihn zum Selbstmord.
Am 8. November 1942 landeten in Französisch-Nordafrika, das das heutigen Algerien und Tunesien sowie Teile Marokkos umfasste, amerikanische und britische Truppen. Mit ihrem Vordringen nach Tunesien, in den »Rücken Rommels«, war das Schicksal der faschistischen Verbände besiegelt. Sie mussten am 13. Mai 1943 in Tunesien kapitulieren. Nach dem Scheitern der deutschen Offensive gegen Stalingrad und den Kaukasus erlitt die Wehrmacht in Nordafrika erneut riesige Verluste und eine schwerwiegende Niederlage. Durch den Sieg der Briten und US-Amerikaner wurde auch im Mittelmeergebiet den Nazis die strategische Initiative entrissen.
Quelle:
jW Bericht vom 21.1ß.2017