Montanmitbestimmung

Westdeutsche Arbeiterbewegung, 70 Jahre Montanmitbestimmung. Als Montanwissenschaften (teilweise auch Montanistik und Montanwesen genannt, synonym zu Berg(bau)wissenschaften bzw. Bergbaukunde) wird in Österreich die Lehre vom Bergbau (im weiteren Sinne, einschließlich Tunnel-/Stollenbau, Fels-/Gesteinsbau), Markscheidewesen, Hüttenwesen, der Aufbereitung und Mineralogie[1] jene Kenntnisse und Techniken, die sich mit dem Auffinden von Rohstoffen in der Erdkruste, dem günstigen Betrieb von Bergwerken und der Verhüttung von Erzen sowie der Grundlagen- und Anwendungsforschung zu Bautätigkeiten unterhalb des Bodens beschäftigen. Teilweise sind auch Aspekte des Sekundärsektors (weiterverarbeitende Industrie) Thema des Montanwissenschaftlers.

Am 10. April vom Bundestag verabschiedet, wurde das Gesetz über die Mitbestimmung in der Montanindustrie am 21. Mai 1951 erlassen. Es ist von allen Mitbestimmungsgesetzen in Deutschland das weitreichendste und gestattet den »Arbeiternehmern« in Betrieben des Bergbaus und der Schwerindustrie mit über tausend Mitarbeitern eine vollständige Parität im Aufsichtsrat. Die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder ist mit Gewerkschaftern und »Arbeitnehmervertretern« zu besetzen. Zu diesen zählt, anders als in anderen »Mitbestimmungsgesetzen«, nicht zwangsläufig die Gruppe der »leitenden Angestellten«. In Pattsituationen im Vorstand greift auch nicht das Doppelstimmrecht der Kapitalseite wie im Mitbestimmungsrecht von 1976. Man spricht hier also zumindest juristisch von einer vollen Parität. Aus dieser Perspektive ist es sicherlich ein Teilerfolg der westdeutschen Arbeiterbewegung – vor allem im Kontrast zu dem ein Jahr später verabschiedeten Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) von 1952 (novelliert 1972, 2004).

Die Lage nach dem Krieg

Um diese Einschätzung zu treffen, braucht es einen Blick zurück auf die Klassenkämpfe in den westlichen Besatzungszonen und der jungen BRD zwischen 1945 und 1952. In der bundesrepublikanischen Autobiographie mit Kapiteln wie »Stunde null« und »Wirtschaftswunder« finden diese selten Erwähnung.

Nach 1945 gab es im Westen starke, dem Monopolkapital angehörende Kräfte, die auf eine Restauration der alten Machtverhältnisse hinarbeiteten. Die Westalliierten, deren Mindestziel es war, ihre Besatzungszonen fest in das antisozialistische Lager zu integrieren, spielten ihnen dabei in die Hände. Früh versuchte man deshalb, mit Verboten die Reorganisation der Arbeiterbewegung zu verhindern. Vereinigungsprozesse der KPD mit der SPD wurden von den Westmächten unterdrückt, und noch 1948 wurde die versuchte Gründung einer Sozialistischen Volkspartei administrativ verhindert. Der per Volksentscheid beschlossene Sozialisierungsartikel fand zwar Einzug in die Landesverfassung Hessens, dessen Realisation würgte das US-amerikanische Militärbüro jedoch ab.

Nichtsdestotrotz bildeten in allen westlichen Besatzungszonen Kommunisten und Sozialdemokraten Einheitsgewerkschaften. Noch dominierte unmittelbar nach dem Krieg eine von breiten Bevölkerungsschichten geteilte Hoffnung auf einen echten Neuanfang, verbunden mit dem Bewusstsein, dass dieser nur passieren kann, wenn man das Monopolkapital in seine Schranken weist. Die Potsdamer Beschlüsse zur Demokratisierung des Landes und Dezentralisierung der Wirtschaft deckten sich damit. Es formierte sich eine Massenbewegung in den Westzonen, die bei allen Differenzen doch zumindest die faktische Vergesellschaftung und Demokratisierung der Schlüsselindustrien forderte.

Ab Herbst 1946 kam es zu großen Streiks und Protesten. Gerade das Ruhrgebiet entwickelte sich zu dieser Zeit zu deren Hochburg. In 32 Schachtanlagen mit über 50.000 Beschäftigten und in mehreren Metallbetrieben wurden Entschlüsse mit der Forderung nach einem Volksentscheid verabschiedet: Nicht nur die entschädigungslose Enteignung, sondern auch tatsächliche Mitbestimmung sollte zukünftig her.

Bis Ende des Jahres wurden viele Betriebsherren gezwungen, Betriebsräte auch in Produktionsfragen einzubinden. Auch im Folgejahr heizte der Hunger unter den Arbeitern die Stimmung an. Es gab Massenproteste mit mehreren zehntausend Teilnehmern und Streiks in der Metall- und Montanindustrie. Höhepunkt war ein Streik von über 300.000 Bergarbeitern im Ruhrgebiet, der zahlreiche Solidaritätsstreiks nach sich zog.

Die in den Jahren 1946/1947 zeitgleich stattfindenden »Entflechtungen« der Monopole durch die Besatzungsbehörden waren nicht mehr als ein Mittel zum Auffangen der Massenproteste und eine rein formale Umsetzung der Potsdamer Beschlüsse – im Kern nichts weiter als eine Umgruppierung der Monopole in neue Aktiengesellschaften. Die mitgelieferte Scheinmitbestimmung durch Einbindung von Gewerkschaftsfunktionären in Aufsichtsräten rührte nicht an den Besitz- und damit Machtverhältnissen. Ziel war es, der Sozialisierungsbewegung den Wind aus den Segeln zu nehmen. Nicht ohne Erfolg: Die Massenproteste nahmen im Laufe des Jahres 1947 ab, innerhalb der mittlerweile interzonal organisierten Gewerkschaften gewannen die sozialpartnerschaftlich ausgerichteten Kräfte um Hans Böckler an Boden.

Nur ein Teilerfolg

Fragen nach der Eigentumsordnung und Mitbestimmung blieben Kernanliegen der westdeutschen Arbeiterbewegung – auch des 1949 gegründeten Deutschen Gewerkschaftsbunds. In seinen »Wirtschaftspolitischen Grundsätzen« (Münchener Programm) forderte der DGB einen Dreiklang aus Mitbestimmung, Vergesellschaftung und gesamtwirtschaftlicher Planung in den Schlüsselindustrien. Auch wenn dessen Führung bereits ihre Treue gegenüber der neuen alten Ordnung bekundete, boten die Grundsätze Anknüpfungspunkte für fortschrittliche Reformvorhaben.

Mit dem »Gesetz Nr. 27« der Westalliierten war 1950 die letzte Hoffnung auf eine reale, staatliche Neuordnung der Montanindustrie beerdigt: Das Gesetz war eine Absage an die im Münchener Programm formulierten Neuordnungsvorstellungen der Gewerkschaften. Verhandlungsversuche mit der Regierung unter Konrad Adenauer (CDU) wurden im Sommer 1950 abgebrochen. Die Führungen von IG Metall und IG Bergbau sahen sich auch aufgrund der Popularität der Forderungen an der Basis zum (begrenzten) Handeln gezwungen. Eine Abstimmung wurde initiiert. 96 Prozent der Metaller und 92 Prozent der Bergarbeiter zeigten sich bereit zum Streik. Es folgten aber lediglich erneute Verhandlungen zwischen der DGB-Spitze und der Regierung.

Der ausgehandelte Teilerfolg versprach einerseits die bereits angesprochene relativ weitreichende Mitbestimmung, brach diese letztlich aber aus dem Dreiklang im Münchner Programm heraus und isolierte damit die Forderungen nach Vergesellschaftung und gesamtgesellschaftlicher Planung langfristig. Auch eine Ausweitung der Mitbestimmung über die Montanindustrie hinaus gelang nicht.

Obendrein: Adenauer strebte zu dieser Zeit die Wiederbewaffnung an. Noch sträubte sich die SPD. Im Gegenzug für die Montanmitbestimmung sollte der DGB Mobilisierungen gegen die Regierungspläne unterlassen. Trotz Fügsamkeit der Gewerkschaftsoberen wurde die Vereinbarung von Staatsseite aus gekippt, als 1952 das gewerkschaftsfeindliche BetrVG verabschiedet wurde. Zwei Jahre später positionierte sich der DGB, an dessen Basis die Wiederbewaffnung schon lange weitgehend auf Ablehnung stieß, offiziell gegen diese. Auf Streiks als Kampfmittel verzichtete er – erneut.

Anmerkungen und Quellen

DGB – Grundsatzforderungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes

I. Eine Wirtschaftspolitik, die unter Wahrung der Würde freier Menschen die volle Beschäftigung aller Arbeitswilligen, den zweckmäßigsten Einsatz aller volkswirtschaftlichen Produktivkräfte und die Deckung des volkswirtschaftlich wichtigen Bedarfs sichert.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Nach oben scrollen
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner