Die Staatenkonferenz begann die Gründung der UNO. Trotz des katastrophalen Weltkrieges war es nicht möglich, vollständige Abrüstung und Friedensgarantien zu vereinbaren. Wollten die Bedingungen für eine Nachkriegsordnung zunächst nur unter sich bestimmen: US-Präsident Franklin D. Roosevelt und sein britischer Amtskollege Winston Churchill im August 1941 bei Gesprächen zur »Atlantik-Charta«. Die beiden Staatsoberhäupter mussten im Kampf gegen die Achsenmächte die Sowjetunion mit einbeziehen. Am 1. Januar 1942 unterzeichneten 26 Staaten die »Erklärung der Vereinten Nationen«
Vom 25. April bis 26. Juni 1945 fand auf Einladung der vier Großmächte USA, UdSSR, Großbritannien und der Republik China – Frankreich war nicht dabei – in San Francisco die abschließende Staatenkonferenz statt. Auf ihr sollte die Nachkriegsordnung in den Rahmen der United Nations Organization (UNO) gegossen werden. Die deutsche Wehrmacht hatte noch nicht einmal kapituliert, aber der Untergang des Nazireichs war bereits unumkehrbar. Ehe es zu dieser Konferenz kam, hatte es Jahre der Verständigung und Vorbereitung unter den Alliierten gegeben. Nun sollte in den kommenden zwei Monaten mit der UN-Charta ein Dokument erarbeitet und verabschiedet werden, auf dessen Basis die Staaten die Zukunft in Frieden gestalten wollten. Ihr Weg dorthin gibt interessante Aufschlüsse über die Intention der Staaten und über die hinter den Regelungen der Charta sich verbergende, aus der historischen Distanz oft schwer einsehbare Rationalität.
Der Angriff des Deutschen Reichs im Jahre 1939 auf seine Nachbarn hatte das Scheitern des Völkerbundes, des ersten Versuchs eines kollektiven Sicherheitssystems, endgültig besiegelt. Dies war nicht überraschend gekommen. Der 1920 gegründete Völkerbund war bereits den großen Konflikten um die Mandschurei (1931/32), um Äthiopien (1935/36) und Spanien (1936–1939) nicht gewachsen gewesen. Die Bemühungen, die Organisation mittels einer Satzungsrevision an die veränderten Bedingungen anzupassen, scheiterten. Nicht nur Deutschland und Japan, die beiden Mächte mit unverhüllten Expansionsabsichten, waren 1935 aus dem Völkerbund ausgetreten. Fünfzehn weitere Mitglieder, vor allem lateinamerikanische Staaten, hatten ebenso den Bund verlassen. Italien folgte 1939 und Spanien 1941. Mit dem Zusammenbruch der europäischen Friedensordnung war nicht nur die Organisation untergegangen. Formal wurde der Völkerbund erst am 18. April 1946 von der Bundesversammlung aufgehoben. Aber auch lange zuvor schien es so, als wenn die Idee einer universalen Organisation für die Friedenssicherung damit ihre Chance endgültig verspielt hätte.
Maxime der US-Außenpolitik
Doch schon im Jahre 1937 hatte der US-amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt in seiner berühmten »Quarantäne-Rede« die »epidemisch« sich ausbreitende »Gesetzlosigkeit in der Welt« angeprangert und eine Neuausrichtung seiner Neutralitätspolitik angekündigt: »Wenn aber eine Krankheit sich epidemisch auszubreiten beginnt, ist sich die Gemeinschaft einig und findet sich darin zusammen, die Patienten durch eine Quarantäne zu isolieren, um die Gemeinschaft vor der Ausbreitung der Krankheit zu schützen.« Er lockerte 1940 das Waffenexportverbot zugunsten der Gegner Deutschlands und Italiens und bekundete mit dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 zugleich seinen Anspruch, die Nachkriegsordnung wie schon 1918 entscheidend mitgestalten zu wollen.
Es sei an der Zeit, schrieb 1941 der republikanische Verleger des Nachrichtenmagazins Time und des Fotojournals Life, Henry R. Luce, in einem Leitartikel, »ernsthaft unsere Aufgabe und unsere Chance als mächtigste Nation in der Welt wahrzunehmen und daher in dieser Welt unseren uneingeschränkten Einfluss geltend zu machen, und zwar für Zwecke, die wir für richtig halten, und durch Mittel, die wir für richtig halten«. Dies wurde die Programmatik der Regierung von Harry S. Truman nach dem Tod Roosevelts im April 1945. Ihr Außenminister James F. Byrnes fasste sie in die Worte: »Was wir tun müssen, ist, nicht die Welt für die Demokratie, sondern für die Vereinigten Staaten sicher zu machen.« Eine Maxime der US-amerikanischen Außenpolitik, die bis heute Gültigkeit hat.
Die »Atlantik-Charta«
Um auch die neutralen Staaten mit einzubeziehen, hatte Unterstaatssekretär Sumner Welles eine Umfrage bei ihnen vorgeschlagen, wie sie sich die Nachkriegsordnung vorstellten. Vor allem sollten sie sich zur Gestaltung der Weltwirtschaftsordnung und der Rüstungsbegrenzung äußern. Ziel war eine Konferenz der Neutralen, die jedoch der Kriegsentwicklung zum Opfer fiel. So vereinbarte Präsident Roosevelt im August 1941 ein Treffen mit dem britischen Premier Winston Churchill in Neufundland, um auf der Achse USA–Großbritannien Vorstellungen für eine zukünftige Friedensordnung zu entwickeln. Churchill stellte sich eine effektive internationale Organisation nach Vorbild des Völkerbundes vor. Roosevelt hingegen wollte davon nichts wissen, da er den Garanten eines zukünftigen Friedens in starken britisch-amerikanischen Streitkräften sah. Jene Staaten, die mit den Achsenmächten kollaborierten oder gar nicht in der Lage waren, sich wirksam dem Faschismus entgegenzustellen, wollte er an den Entscheidungen über den Weltfrieden nicht beteiligen. Auch über die wirtschaftspolitische Neuordnung gingen die Vorstellungen zunächst auseinander. Die amerikanische Administration wollte eine Neuregelung des Rohstoffmarktes auf der Grundlage der Nichtdiskriminierung und einer fairen Verteilung, während die Briten ihr Zollpräferenzsystem gegenüber den Commonwealth-Ländern auf der Basis der »bestehenden Verpflichtungen« absichern wollten.
Roosevelt konnte sich in den entscheidenden Punkten durchsetzen. In der gemeinsamen Abschlusserklärung vom 14. August 1941, die wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung als »Atlantik-Charta« in die Geschichte einging, wurde der Freiheit des Welthandels und dem freien Zugang zu allen Rohstoffen Vorrang vor den »bestehenden Verpflichtungen« eingeräumt und eine »ständige Organisation für die allgemeine Sicherheit« erst nach der Entwaffnung solcher Nationen, die mit Gewalt drohen, in Aussicht gestellt: »8. Sie (die Unterzeichner; N. P.) sind der Überzeugung, dass alle Nationen der Welt aus materiellen wie ethischen Gründen zum Verzicht auf Gewaltanwendung gelangen müssen. Und da kein vernünftiger Friede gewahrt werden kann, solange Nationen, die mit der Gewaltanwendung außerhalb ihrer Grenzen drohen bzw. drohen können, weiterhin ihre Rüstungen zu Land, zur See oder in der Luft beibehalten, glauben sie, dass die Entwaffnung solcher Nationen bis zur Errichtung einer umfassenderen und ständigen Organisation für die allgemeine Sicherheit unbedingt nötig ist. Sie werden gleichermaßen die Ergreifung aller anderen praktischen Maßnahmen unterstützen und fördern, die den friedliebenden Völkern die drückende Last der Rüstung erleichtern.«
Anmerkungen und Quellen