Vor 70 Jahren kapitulierten die deutsch-italienischen Truppen in Nordafrika. Den Alliierten eröffneten sich dadurch große strategische Möglichkeiten an der Südflanke des Nazi-Imperiums. Nach der nur auf wenige Wochen kalkulierten Eroberung der Sowjetunion sollten Wehrmachtsverbände mit Anführer Rommel gegen die britischen Truppen im Mittelmeerraum kämpfen.
»Das Deutsche Afrikakorps hat sich befehlsgemäß bis zur Kampfunfähigkeit geschlagen. (…) Heia Safari!« Das war der letzte Funkspruch, den der Kernverband der deutschen und italienischen Truppen in Afrika am 12. Mai 1943 nach Berlin sandte. Einen Tag später hatten alle deutschen und italienischen Soldaten in Tunesien kapituliert.
Der Funkspruch zeigt das Maß der faschistischen Verblendung der leitenden Offiziere des Deutschen Afrikakorps. Für sie war der seit Februar 1941 von der Wehrmacht geführte Eroberungskrieg in Nordafrika ein Jagdabenteuer, eine Safari. Und das, obwohl der Faschismus gerade seine dritte strategische Niederlage in Folge nach Moskau im Dezember 1941 und Stalingrad im Februar 1943 mit großen personellen und materiellen Verlusten hinnehmen mußte. Zwischen November 1942 und Mai 1943 verloren die Achsenmächte Italien und Deutschland in Tunesien zirka 40000 Mann (Tote und Verwundete). 270000 Soldaten, etwa die Hälfte Italiener, gerieten in Gefangenschaft. Die Bewaffnung und Ausstattung zweier Armeen waren verlorengegangen.
Für den größten Teil des deutschen Offizierskorps in Tunesien war eine extreme faschistische Einstellung offensichtlich kennzeichnend. In einer Beurteilung der Wehrmachtsführung über General Hans-Jürgen von Arnim, den letzten Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Afrika, die alle deutschen und italienischen Truppen vereinte, heißt es: »Lebt und führt im Sinne der nationalsozialistischen Weltanschauung.«
In der deutschen Bevölkerung wurde diese Niederlage mit Verunsicherung aufgenommen: Nach Spitzelberichten des Sicherheitsdienstes der SS bewertete sie sie als »zweites Stalingrad«, eine für das Hitlerregime gefährliche Einschätzung so kurz nach dem für den Kriegsverlauf wesentlich bedeutsameren »echten« Stalingrad.
Die Kämpfe in Tunesien waren Endpunkt eines fast drei Jahre währenden Krieges der faschistischen Mächte Deutschland und Italien gegen die westlichen Alliierten der Antihitlerkoalition in Nordafrika. Im Osten Europas wie in Nordafrika wurden erstere zurückgedrängt.
Vormarsch zum Suezkanal
Nordafrika war im Sommer 1940 in den Blickpunkt der deutschen Führung geraten. Großbritannien war der einzige noch unbesiegte Kriegsgegner. Für die Deutschen drängte die Zeit. Das Naziregime wollte im Frühjahr 1941 die Sowjetunion angreifen. Man hoffte, zuvor die Briten zu einem Kompromißfrieden zu bewegen und den Krieg in Westeuropa vorläufig zu beenden. Einem solchen Kuhhandel konnte die Regierung in London unter Winston Churchill nicht zustimmen. Deshalb, so eine Notiz des Generalstabschefs des Heeres, Franz Halder, am 30. Juni 1940, werde es »voraussichtlich noch einer Demonstration unserer militärischen Gewalt bedürfen, ehe England nachgibt und uns den Rücken freiläßt für den Osten«. Die Wehrmacht verstärkte den Druck mit schweren Bombenangriffen und Landungsvorbereitungen. Der Chef des Führungsstabs, Alfred Jodl, dekretierte am 14. August 1940, der »englische Widerstandswille« müsse bis zum Beginn des Überfalls auf die Sowjetunion gebrochen werden. Da eine Invasion schwierig sei, könne man die Briten »auch auf anderem Wege in die Knie zwingen«, nämlich durch die »Wegnahme« Gibraltars und Ägyptens. Man besann sich seines Hauptverbündeten in Rom, der seit dem 10. Juni 1940 an der Seite Deutschlands in den Krieg eingetreten war und weitreichende Expansionspläne in Afrika auf Kosten des britischen Einflusses verfolgte. Italien solle die Schwächestunde Großbritanniens, so die deutsche Argumentation, für die Eroberung Ägyptens nutzen.
Am 12. September 1940 eröffneten italienische Truppen von ihrer Kolonie Libyen aus den Kampf gegen Ägypten. Eine britische Gegenoffensive im Dezember drängte die Italiener weit nach Libyen zurück. In Berlin reagierte man außergewöhnlich schnell. Die Vertreibung der Italiener aus Nordafrika hätte eine militärische und eine gravierende politische Schlappe für die Achsenmächte bedeutet. Am 11. Januar 1941 wurde die Entsendung deutscher Truppen nach Libyen beschlossen. Den Befehl über den Verband, der »Deutsches Afrikakorps« genannt wurde, übernahm Generalleutnant Erwin Rommel. Er sollte die verlorengegangenen Gebiete wieder zurückerobern.
Die Deutschen dachten von Anfang an weiter. Man plante einen Vorstoß zum Suezkanal. Diese Operation sollte der südliche Arm einer riesigen Zangenbewegung werden. Gleichzeitig wolle man durch Bulgarien und die Türkei nach Süden marschieren und sich etwa bei Haifa mit den Rommel-Truppen vereinen, so die deutsche Militärführung.
Am 11. Juni 1941 erging Hitlers »Weisung Nr. 32«. In diesem Grundsatzbefehl wurde angenommen, daß der in elf Tagen beginnende deutsche Überfall auf die Sowjetunion schon in wenigen Wochen zum Zusammenbruch der UdSSR führen werde. Dann gehe es um die »Fortsetzung des Kampfes gegen die britische Position im Mittelmeer und in Vorderasien«. Der Weg zur arabischen Halbinsel, zum Persischen Golf und zum »Kronjuwel« des britischen Imperiums, Indien, sei zu öffnen. Am 28. Juni 1941 wies das Oberkommando des Heeres Rommel an, eine Offensive zur Eroberung des Suezkanals vorzubereiten.
Im Frühjahr 1942 begann die deutsche Offensive, die tief nach Ägypten hineinführte. Die britische Militärspitze wertete die Lage als dramatisch. Churchill schrieb: »Die Schlacht in Ägypten entwickelte sich immer kritischer. Viele sahen bereits den Fall Kairos und Alexandriens (…) voraus.« Erst Ende Juli 1942 konnten bei El Alamein, 80 Kilometer westlich von Alexandria, die faschistischen Truppen gestoppt werden, wobei der Halt Rommels weniger dem Widerstand der britischen Truppen, sondern mehr dem Mangel an Treibstoff und Munition zugeschrieben werden muß.
Wende bei El Alamein
Darin zeigen sich die Grundprobleme des deutsch-italienischen Eroberungskrieges. Für die deutsche Führung war Nordafrika nur ein Nebenkriegsschauplatz. Mit möglichst geringen Kräften sollten starke britische Truppen gebunden und die Bündnisloyalität Italiens gesichert werden. Hitler meinte schon am 5. Dezember 1940, die Entscheidung falle »im Osten«. Ein Sieg über die Sowjetunion sichere die Herrschaft über Europa und sei Voraussetzung für die Erringung der Vorherrschaft in der Welt. Nach dieser Lagebeurteilung richtete sich die Zuweisung von Truppen, Waffen und Nachschubgütern. Der Krieg gegen die Sowjetunion absorbierte den Hauptteil der deutschen personellen und materiellen Ressourcen.
Um die numerische Überlegenheit der Briten in Nordafrika auszugleichen, empfahl das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) eine bewegliche Kampfführung, um schnell Schwerpunkte bilden zu können. Dazu fehlte den Achsentruppen der Treibstoff. Am 15. Dezember 1942 notierte die deutsche Seekriegsleitung, von 53 Schiffen für den Afrikatransport mit insgesamt 177717 Bruttoregistertonnen (BRT) seien 42 Fahrzeuge mit 155630 BRT verlorengegangen, vier Schiffe mit 12480 BRT wurden beschädigt. Nur noch sechs Einheiten mit 9607 BRT waren fahrbereit. »Eine katastrophale Bilanz«, heißt es in der Analyse.
Quelle:
jW vom 13.05.2013