Deutsche Nachkriegsgeschichte

Separatstaat in Gründung

Die Westalliierten setzten von Beginn an auf Spaltung. Zur Vorgeschichte der US-Luftbrücke gegen die sowjetische Blockade Westberlins vor 75 Jahren.

Unter den Legenden der Berliner Nachkriegsgeschichte sticht eine besonders hervor: die sogenannte Luftbrücke – deren Beginn sich dieser Tage zum 75. Mal jährt. Sie sei es gewesen, »die das darbende und hungernde Berlin vor dem Würgegriff der Sowjetblockade rettete.«¹ So lautet die offiziöse Senatsversion noch nach Jahrzehnten.

Die Frage, wie es zu dieser Luftbrücke kam und welches politische Kalkül sich dahinter verbarg, wird meist geflissentlich ausgeblendet. Nur in Ansätzen erfährt man, dass zuvor in den Schaltstellen der Westmächte (USA, Großbritannien und Frankreich) eine Währungsreform für Deutschland (zunächst für ihre Besatzungszonen) unter Ausschluss der Sowjetunion ausgeheckt worden war. Dass damit ein internationaler Vertrag zur Makulatur gemacht wurde, wird ebenso wenig problematisiert, wie die Vertragsbrecher beim Namen genannt werden.

Schon da aber liegt der Hase im Pfeffer. Als 1945 die Siegermächte in Potsdam ihre Absichten für den künftigen Wiederaufbau Deutschlands feierlich manifestiert hatten, las sich das unter anderem so: »Während der Besatzungszeit ist Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten. Mit diesem Ziel sind gemeinsame Richtlinien aufzustellen hinsichtlich (…) der Währung und des Bankwesens (…)«. Doch das gefiel nicht jedem. Besonders im Westen kam man schnell zu der – nicht unberechtigten – Auffassung, hier könnte der Grundstein für fundamentale gesellschaftliche Veränderungen gelegt sein.

»Russe oder Deutscher?«

In dankenswerter Offenheit äußerte diese Befürchtung auch der erste Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer (CDU). In seiner Autobiographie vermerkt er: »Wären diese Beschlüsse wirklich durchgeführt worden, (…) wären auch die drei westlichen Zonen, also ganz Deutschland, kommunistisch geworden.«²

So gesehen stand die Umsetzung der Potsdamer Vereinbarungen von Beginn an unter einem schlechten Stern. Der nachhaltigste und wirkungsvollste Widerstand gegen die Realisierung des Potsdamer Abkommens kam zweifellos aus den USA. Diesseits und jenseits des Atlantiks liefen die Satrapen der kapitalistischen Machthaber unter der bis heute perpetuierten Losung Sturm: Wider den sowjetischen (respektive russischen) Expansionismus!

In aggressiver Rhetorik schlug am 1. November 1947 der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher in der Berliner Neuen Welt in diese Kerbe: »Der Kommunismus als Prinzip der Neuordnung der Klassenbeziehung existiert ja gar nicht mehr; der Kommunismus ist ja heute das Prinzip des Expansionsdranges eines Nationalstaates. (…) Und heute ist die Frage ›Kommunist oder Sozialdemokrat?‹ die Frage ›Russe oder Deutscher?‹ – und wir sind die Deutschen!«³

Adenauer und Schumacher bildeten die deutschen Speerspitzen, um die von US-Präsident Harry S. Truman verfolgten Machtansprüche auf deutschem Boden durchzusetzen. So war die Richtung der weiteren wirtschaftlichen und finanzpolitischen – und damit gesellschaftlichen – Entwicklung, zumindest in den von den Westmächten kontrollierten Besatzungszonen, vorgezeichnet.

In den USA hatte bereits am 25. Januar 1947 die Chicago Daily Tribune über eine Sondermission des ehemaligen republikanischen Präsidenten Herbert Hoover in Deutschland berichtet. In einer Selbstdarstellung der Deutschen Bank wird darüber geschrieben: »Die von ihm (Hoover, M. A.) festgestellte desolate Ernährungslage sei auf die Beute- und Rachepolitik der Alliierten zurückzuführen. Die USA müssten jährlich 300 Millionen Dollar ausgeben, um den Deutschen eine Hungerdiät zu finanzieren. ›Die Deutschen könnten innerhalb von eineinhalb Jahren zu Selbstversorgern gemacht werden, und die wirtschaftliche Erholung Europas könnte stark beschleunigt werden, wenn das Privateigentum gesichert und der Privatinitiative eine Chance gegeben würde zu zeigen, wozu sie fähig ist.‹ Konkrete Schützenhilfe hatten die Großbanken (…) erhalten.«⁴

Mit »Privateigentum« war das Stichwort vorgegeben, das kurz darauf der Chef des Weißen Hauses – ohne es immer so explizit hervorzuheben – zur offiziellen Politik erhob. Nur knapp zwei Monate später, am 12. März 1947, erklärte US-Präsident Harry S. Truman vor dem Repräsentantenhaus in Washington, es müsse »der außenpolitische Grundsatz der Vereinigten Staaten werden, allen Völkern, deren Freiheit von militanten Minderheiten oder durch einen von außen ausgeübten Druck bedroht ist, unseren Beistand zu leihen.«⁵ Es war die Geburtsstunde des fortan als »Truman-Doktrin« apostrophierten weltweiten Herrschaftsanspruchs der Vereinigten Staaten.

Colm-Dodge-Goldsmith-Plan

Der für Europa vorgesehene »Beistand« firmierte offiziell als European Recovery Program (ERP, Europäisches Wiederaufbauprogramm), ist jedoch allgemein als Marshall-Plan bekannt, benannt nach seinem geistigen Vater, US-Außenminister George C. Marshall. Am 5. Juni 1947 verkündete der seinen Plan, am 3. April 1948 wurde er vom US-Kongress abgesegnet. »Hilfsgelder« sollten, so wurde es postuliert, der in Europa darniederliegenden Wirtschaft wieder auf die Beine helfen. Die Quintessenz des Planes war – entgegen den Abmachungen von Potsdam – die Beibehaltung beziehungsweise Wiederherstellung der alten Besitz- und Machtverhältnisse. Dessen ungeachtet verbrämte Kurt Schumacher den Plan als karitative Großtat: »Ein Projekt von so gewaltigem Ausmaß ist niemals eine vorwiegend geschäftliche Angelegenheit, sondern zeugt von echter Hilfsbereitschaft.«⁶

Die Pläne für eine Währungsumstellung unter dem Schirm der Westmächte waren schon viel früher in Angriff genommen worden. »Bereits am 20. Mai 1946 war ein amerikanischer Währungsreformplan, entwickelt von den amerikanischen Professoren Gerhard Colm, Joseph Morrell Dodge und Raymond W. Goldsmith, im US-Hauptquartier von General Lucius D. Clay vorgelegt worden«, liest man auf der Webseite der »Ludwig-Erhard-Stiftung«, deren Namensgeber als zweiter Kanzler der Bundesrepublik noch heute als Erfinder der »sozialen Marktwirtschaft« gefeiert wird. »In der ›Sonderstelle Geld und Kredit‹, deren Leiter zunächst Ludwig Erhard war«, heißt es dort weiter, »wurde der ›Homburger Plan‹ als deutsche Planungsvariante für eine Währungsreform für den Bereich aller Besatzungszonen entworfen.«⁷

In der unmittelbaren Vorbereitungsphase der Ausgabe des Separatgeldes enthüllte eine britisch lizenzierte Tageszeitung über die klandestinen Währungspläne: »Der Colm-Dodge-Goldsmith-Plan ist aber in seinem vollen Wortlaut und allen Einzelheiten deutschen Stellen nie bekannt geworden.«⁸ Und weiter heißt es über die Geheimoperation: »Dieser außerordentlich strenge Diskretionszwang ist sowohl von diesen Herren als auch von jenen wenigen Persönlichkeiten, die als wissenschaftliche Experten an den Arbeiten des Colm-Dodge-Goldsmith-Komitees teilnahmen, in vollem Umfang gewahrt worden. Es hat den Anschein, als ob die jetzt kommende Reform noch weitgehend auf den Grundideen des damaligen Entwurfs fußt.«

1947 seien »Gerüchte laut geworden«, so der US-Diplomat Robert Murphy, »dass in der russischen Zone, und zwar in Leipzig, neue Banknoten gedruckt würden. Dies stimmte zwar nicht, brachte Clay aber auf einen Gedanken, den er bei einer kurzen Reise nach Washington, die wir unternahmen, in die Tat umsetzte. (…) Tonnen dieses neuen Geldes wurden dann in Washington gedruckt und — um Spekulationen zu verhindern – in größter Heimlichkeit nach Deutschland befördert. Dieses Projekt hieß ›Operation Bird Dog‹.«⁹

»Streng geheim sollte die ›Operation Bird Dog‹ ablaufen«, schrieb 2008 die Frankfurter Allgemeine Zeitung über den Coup. »Die Sowjetunion sollte nichts erfahren, die Deutschen schon gar nicht und die eigene Bevölkerung am besten auch nicht. Selbst die englische Regierung wurde erst ins Vertrauen gezogen, als die Operation schon längst begonnen hatte, als 23.000 Holzkisten von New York nach Bremerhaven verschifft worden waren (…)«.¹⁰

Als strategischer Macher dieser Maßnahmen gilt Clay, seit 1947 Militärgouverneur der US-Besatzungszone und Befehlshaber der US-Landstreitkräfte in Europa.

Bruch herbeigeführt

Von den Militärregierungen der drei Westmächte war mit Wirkung vom 1. März 1948 die »Bank deutscher Länder« ins Leben gerufen worden. Deutschland hatte in diesem Moment als einheitliches Wirtschaftsgebiet aufgehört zu existieren. Allem Gesäusel über eine Schuld der Sowjets zum Trotz, liegt hier der Beweis, von wem die deutsche Teilung ausging und wer für die nun folgenden Konflikte die historische Verantwortung trägt.

Lag bis dato die oberste Regierungsgewalt im besetzten Deutschland beim Alliierten Kontrollrat, in dem die Siegermächte UdSSR, USA, Großbritannien und Frankreich zusammenarbeiteten, wurde nun fieberhaft nach einem Vorwand gesucht, um den offenen Bruch herbeizuführen und ihn gleichzeitig der sowjetischen Besatzungsmacht in die Schuhe zu schieben. Den Anlass hierfür schuf man schließlich durch die Sechsmächtekonferenz – die drei Westalliierten plus die Benelux-Staaten –, die Anfang 1948 in London stattfand und bei der unverhohlen die Gründung eines westdeutschen Separatstaates auf den Weg gebracht wurde.

Als daraufhin am 20. März 1948 der Chef der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD), Marschall Wassili Sokolowski, dem Alliierten Kontrollrat ein Memorandum seiner Regierung zur Kenntnis brachte, in dem eine Aufklärung über die Londoner Verhandlungen verlangt wurde, war der Punkt für den Bruch gekommen. Die westlichen Militärgouverneure verweigerten eine Aussprache mit der Begründung, sie seien dazu von ihren Regierungen nicht autorisiert. »Mit dieser Handlungsweise bestätigen die drei Delegationen noch einmal«, so heißt es in einer Stellungnahme Sokolowskis, »dass der Kontrollrat in Wirklichkeit nicht mehr als Organ der höchsten Gewalt in Deutschland besteht, die die Viermächteverwaltung in diesem Lande ausgeübt hatte«. Da alle seine Fragen unbeantwortet geblieben seien, so Sokolowski, sehe er »keine Veranlassung, die heutige Sitzung weiterzuführen und vertage sie hiermit«. Das vom Westen zielsicher angesteuerte Aus für den Kontrollrat war gekommen – und der Sowjetunion wurde die Schuld zugeschoben.

Und die Top-Secret-Aktion des Zerreißens der wirtschaftlichen Einheit Deutschlands wurde bis zum bitteren Ende weitergespielt. Eine Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Bundesbank nennt hierzu Details: »Am 20. April 1948 fuhren die vom Währungsausschuss des bizonalen Wirtschaftsrats benannten Experten (…) unter der Obhut von Col. Stoker von der US-Militärregierung in einem mit undurchsichtigen Scheiben verglasten Bus in das Konklave, dessen Standort auch gegenüber den deutschen Teilnehmern zunächst geheim gehalten wurde. Die Unterkunfts- und Arbeitsräume befanden sich in einem mit Stacheldrahtverhau abgetrennten Einzelgebäude der großen Kasernenanlage Rothwesten bei Kassel.«¹¹ Dass man sich des Begriffs »Konklave« befleißigte – der ansonsten der bischöflichen Abgeschiedenheit zur Papstwahl vorbehalten ist – mag den konspirativen Charakter dieser heiligen Mission des Kapitalismus akzentuieren.

Man wusste um die Fragilität des Unternehmens: »Zu Beginn des Konklaves spielte noch die (…) Befürchtung eines einseitigen Vorgehens der Sowjets eine Rolle; für diesen Notfall war von den westlichen Militärregierungen der Entwurf eines Interimsgesetzes vorbereitet worden, das die sofortige Anmeldung sämtlicher Altgeldbestände in den Westzonen sicherstellen sollte – offenbar, um den dann zu erwartenden Einstrom von Altgeld aus der Ostzone zu begrenzen.«¹² Man befürchtete also, wie diesen Worten unschwer zu entnehmen ist, Opfer einer Eskamotage zu werden, die man in einer anderen Zielstellung gegen die Sowjetische Besatzungszone anwenden wollte: die Überflutung mit wertlos gewordenem Geld.

»Unabhängige« Gewerkschafter

Um diesen Plänen zum endgültigen Erfolg zu verhelfen, waren jedoch noch einige Vorarbeiten notwendig. An oberster Stelle stand dabei die Neutralisierung oder gar völlige Ausschaltung der Organisationen der Arbeiterklasse. Deren Widerstand hätte den Marshall-Plan zu Fall bringen können. Aus diesem Grunde legte man sich schon im Frühjahr 1946 von alliierter Seite mit erheblichem Aufwand gegen die Vereinigung der beiden Arbeiterparteien KPD und SPD ins Zeug. Besonders eifrig dabei war ein britischer Geheimdienstoffizier namens Noel Annan, wie man ein halbes Jahrhundert später im Tagesspiegel lesen konnte. »Gemeinsam mit zwei jungen Mitarbeitern des Nachrichtendienstes entwickelte er die Idee eines Referendums, wonach die Entscheidung über die Vereinigung nicht allein von den Parteiführungen, sondern vor allem von der Parteibasis getroffen werden sollte.«¹³ Ein Prozedere, das in den Statuten der SPD gar nicht vorgesehen war. Mit den separat gebliebenen Teilen der SPD wurden die weiteren Schritte eingeleitet. Nächstes Ziel war, die Arbeit des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) so einzuschränken, dass er dem Marshall-Plan nicht mehr ernsthaft Steine in den Weg legen konnte.

Für diesen Schritt wurde innerhalb des FDGB eine »Unabhängige Gewerkschaftsopposition« (UGO) installiert. »Die Landesdelegierten sowie die Betriebs- und Gewerkschaftsfunktionäre der SPD forderten am 3. Mai 1947«, heißt es über die Vorbereitungen zur Gewerkschaftsspaltung in einer DGB-Schrift, »auf einer besonderen Tagung in der ›Neuen Welt‹ (Hasenheide) den Ausbau eigener SPD-Betriebsgruppen als Grundlage einer freien und unabhängigen Gewerkschaftsopposition, um dadurch dem Einfluss der SED innerhalb des FDGB wirksam entgegentreten zu können.«¹⁴ Die »Unabhängige Gewerkschaftsopposition« mutierte schließlich zur »Unabhängigen Gewerkschaftsorganisation«, als sie am 23. Mai 1948 die Reihen des FDGB verließ und mit Hilfe vor allem der US-Besatzungsmächte im Berliner Westteil ihren Alleinvertretungsanspruch durchzusetzen begann.

Einführung der D-Mark

Am 18. Juni 1948 wurde dann der große Schlag ausgeführt. Um 18 Uhr jenes Tages verkündeten die Militärgouverneure der Westmächte über den Rundfunk die Einführung der neuen Währung in ihren Besatzungszonen. Ab dem 20. Juni würden die neuen Banknoten der »Deutschen Mark« ausgegeben. Die Grundlagen des Potsdamer Abkommens existierten somit nicht mehr. Die Westberliner CDU-Größe Johann Baptist Gradl, der spätere Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, brachte es am folgenden Tag auf den Punkt: »Von nun an läuft zwischen den Westzonen und der Sowjetzone auch eine Währungsgrenze. Jenseits der Zonengrenze ist Ausland, Devisenland.«¹⁵

Am 20. Juni 1948, einem Sonntag, war es schließlich soweit, die »Währungsreform« trat in Kraft und das neue Geld wurde ausgegeben. Kurz und knapp – aber eindeutig – das Fazit des Handelsblattes rund ein halbes Jahrhundert später: »Am 20. Juni 1948 verlieren die kleinen Sparer fast alles, Aktien- und Sachwertbesitzer hingegen beinahe nichts.«¹⁶

Für einen gewissen Teil des Kapitals kamen die Maßnahmen weniger überraschend, wie sich dem US-amerikanischen Blatt Neue Zeitung entnehmen lässt: »Schon gleich nach der Bekanntgabe der Geldreform zeigten sich in allen Teilen der Westzonen die ersten Auswirkungen der neuen Maßnahmen. (…) Am Montag waren in vielen Geschäften schon wieder friedensmäßige Waren zu niedrigen Preisen erhältlich.«¹⁷

In der Berliner Stadtverordnetenversammlung hatten sich in den Tagen zuvor die SPD-Politiker Louise Schroeder und Otto Suhr für die Einführung der Separatwährung in der Viersektorenstadt stark gemacht. Eher nachdenklich klang der stellvertretende Oberbürgermeister Ferdinand Friedensburg (CDU), der rückblickend schrieb: »Wie ich damals vor der Stadtverordnetenversammlung ausgeführt habe, bedeutete eine unterschiedliche Währung in den Besatzungszonen die endgültige Teilung Deutschlands.«¹⁸

Der Westwährung war die Rolle eines Kampfmittels gegen die Sowjetzone und die Sowjetische Besatzungsmacht zugedacht. Mit eiligst eingerichteten Wechselstuben wurde die D-Mark im Verhältnis 1:4 und höher gegen die in der SBZ im Umlauf befindliche Reichsmark getauscht. Das erforderte schnelle und rigorose Maßnahmen von seiten der SMAD. In der Nacht zum 24. Juni 1948 unterband sie den Güter- und Passagierverkehr per Eisenbahn zwischen den Westzonen und Berlin.

Der spätere Oberbürgermeister Ernst Reuter tönte an diesem Tag auf dem Hertha-Sportplatz: »Wir Sozialdemokraten, wir haben in diesem Kampf in Berlin die Führung übernommen!«¹⁹ Für die Westalliierten allerdings hatte die Sache einen Haken. Eigentlich wollte man auf dem Landwege Berlin versorgen und somit seine Beschützerrolle demonstrieren. Schon im Frühjahr 1948 hatten die Sowjets die Zufahrtswege nach Berlin kurzzeitig gesperrt. Die Maßnahme galt als »kleine Blockade«. Nach Beginn dieser »kleinen Blockade« setzte, wie der Clay-Biograph Wolfgang Krieger darlegt, eine fieberhafte Suche nach verbindlichen schriftlichen Abmachungen über die Zufahrtswege nach Berlin ein. Botschafter Murphy habe daraufhin dem State Department ein Protokoll zugeleitet, in dem die Modalitäten der Übergabe der Westsektoren durch die Sowjets festgelegt worden waren. Murphy habe dazu erklärt, »diese amerikanische Mitschrift sei nie vertraglich fixiert worden«. Dies stellte »die Westmächte sowohl bezüglich der Weststaatsgründung als auch des Festhaltens an Berlin vor schwierige Fragen«.²⁰ Ohne rechtliche Legitimation, auf dem Landwege eine »Hilfsaktion« zu zelebrieren, wurde – so die Fama – von Clay die Luftbrücke initiiert.

Blockade und Gegenblockade

Der spätere US-Außenminister John Foster Dulles feierte am 24. Januar 1949 bei einer Rede in Paris die Berlinkrise: »Die gegenwärtige Lage ist für die USA aus propagandistischen Gründen sehr vorteilhaft. Dabei gewinnen wir das Ansehen, die Berliner Bevölkerung vor dem Hungertod bewahrt zu haben. Die Russen aber erhalten die ganze Schuld wegen ihrer Sperrmaßnahmen. Wenn wir uns in der Berliner Frage einigen, so müssen wir jedoch sofort auf einen russischen Vorschlag rechnen, der die Forderung nach einer Zurückziehung der Besatzungstruppen und eine Rückgabe Deutschlands an die Deutschen enthält.«²¹

Ab Februar 1949 führten jedoch der US-Diplomat Philip Jessup und sein sowjetischer Verhandlungspartner Jakow Malik Gespräche über eine Beendigung der verfahrenen Situation. Am 4. Mai 1949 trat das nach den beiden Verhandlungsführern benannte Abkommen in Kraft. Es beinhaltete die Beendigung der von der UdSSR gegen die Berliner Westsektoren verhängten Wirtschaftssanktionen. Ebenso jene der Gegenblockade der Westmächte (einschließlich der Einstellung aller Lieferungen vor allem von wichtigen Rohstoffen und Produkten wie Steinkohle und Stahl aus den Westzonen in die Ostzone sowie der Beschränkungen für den innerdeutschen Warenverkehr).

Die Vereinbarung wurde vom bereits zitierten CDU-Mann Johann Baptist Gradl durchaus richtig bewertet: »Da der Osten mit dem Abbruch seiner eigenen Blockade zugleich die Aufhebung der Gegenblockade erreicht hat, hat er insoweit auch einen beachtlichen Vorteil erlangt«.²²

Anmerkungen und Quellen

1 Gerhard H. Wilk: Truman und Berlin, in: Berliner Forum 4/86, S. 3

2 Konrad Adenauer: Erinnerungen 1945–1953, Stuttgart 1973, S. 85

3 Im Originalton zu hören unter: www.youtube.com/watch?v=qOHVjaffJbY

4 Lothar Gall, Gerald D. Feldman, Harold James, Carl-Ludwig Holtfrerich, Hans E. Büschgen: Die Deutsche Bank 1870–1995, München 1995, S. 74

5 Harry S. Truman: Memoiren, Band II: Jahre der Bewährung und des Hoffens (1946–1953), Bern 1956, S. 114

6 Zit. n. Ernst Lemmer: Manches war doch anders, Frankfurt am Main 1968, S. 309

7 https://kurzelinks.de/Reform1948

8 Die Welt, 19. Juni 1948

9 Robert Murphy: Diplomat unter Kriegern, Berlin 1964, S. 382

10 Thomas Jansen: Das Startkapital – Sechs Milliarden D-Mark, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. Juni 2008, https://kurzelinks.de/Startkapital

11 Deutsche Bundesbank (Hg.): Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876–1975, Frankfurt am Main 1975, S. 445

12 Ebd., S. 447

13 Des Drahtziehers brillante Erinnerungen, Tagesspiegel, 22. April 1996

14 Deutscher Gewerkschaftsbund, Landesbezirk Berlin (Hg.): FDGB, UGO, DGB. Berliner Gewerkschaftsgeschichte von 1945 bis 1950, Berlin 1971, S. 75

15 Der Tag, 19. Juni 1948

16 Der Tag X, Handelsblatt, 23./24./25. Juni 2006

17 Die Welt, 22. Juni 1948

18 Ferdinand Friedensburg: Es ging um Deutschlands Einheit, Berlin 1971, S. 222 f.

19 Ernst Reuter: Schriften – Reden, Band III, Frankfurt am Main/Berlin/Wien 1974, S. 401

20 Murphy 1964 (Anm. 9), S. 382 f.

21 George S. Wheeler: Die amerikanische Politik in Deutschland 1945–1950, Berlin 1958, S. 223, zit. n. Peter Alfons Steiniger: Westberlin. Ein Handbuch zur Westberlinfrage, Berlin (DDR) 1959, S. 38

22 Zit. n. Der Tag, 8. Mai 1949

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