Wir haben uns im Ukraine Krieg übernommen

Ein Scherbenhaufen der europäischen Politik

Einen äußeren Feind zu haben, so lehrt es die Geschichte, gilt als beste Methode, innere Uneinigkeit zu überbrücken und wieder zusammenzufinden. Ob der mit großem medialen Aufwand betriebene Russenhass die richtige Methode ist, anstehende Uneinigkeiten in der EU und auch in der NATO zu überbrücken, darf indessen bezweifelt werden. Selbst ehemalige militärische Größen bezweifeln die These, Russland sei für ganz Europa eine Gefahr. Nicht zum ersten Mal übernehmen wir deshalb ein Interview mit einem deutschen General im Ruhestand.

Seit neuestem wird behauptet, dass für Russland Krieg ein Kontinuum sei und es weiter aufrüste, so dass es in ungefähr vier bis fünf Jahren Westeuropa angreifen könne.

Die entscheidende Frage ist, ob es belastbare Erkenntnisse gibt, dass Russland über die Fähigkeit zu einem erfolgreichen Angriff auf Westeuropa, also auf die Nato, verfügt, welche strategischen Ziele die russische Führung damit verfolgen könnte und ob die russische Führung die Absicht hat, diese durch Krieg zu erreichen.

Der Ausgangspunkt für den insbesondere in Deutschland entstandenen Alarmismus ist der Ukraine-Krieg, der nicht nur eine militärische Auseinandersetzung, sondern auch ein Wirtschafts- und Informationskrieg ist. Am militärischen Konflikt ist Deutschland durch Waffenlieferungen, finanzielle Unterstützung und die Ausbildung ukrainischer Streitkräfte indirekt beteiligt. Am Wirtschaftskrieg sind wir durch Sanktionen aktiv beteiligt. Der Informationskrieg wird von beiden Seiten geführt.

In diesem Informationskrieg werden unter anderem die russischen Cyber-Aktivitäten als Vorstufe und als Indiz für die russische Absicht, einen Angriffskrieg zu führen, betrachtet. Man kann es aber auch anders sehen. Dabei beziehe ich mich auf die USA, die über ein breites Spektrum an Aufklärungsmöglichkeiten verfügen. Die Biden-Regierung erklärte 2024 in ihrer Bedrohungsanalyse: «Russ­land will mit ziemlicher Sicherheit keinen direkten militärischen Konflikt mit den Streitkräften der USA und der Nato und wird seine asymmetrischen Aktivitäten unterhalb der Schwelle eines militärischen Konflikts weltweit fortsetzen.» Die Bedrohungsanalyse der sieben amerikanischen Nachrichtendienste vom März 2025, also schon unter der Regierung Trump, bestätigt die Feststellung, dass Russland auch weiterhin in der Lage sein wird, beispielsweise Desinformation, Spionage, Einflussoperationen oder Cyberangriffe einzusetzen, «um zu versuchen, unterhalb der Ebene eines bewaffneten Konflikts zu konkurrieren und Möglichkeiten zur Förderung russischer Interessen zu schaffen.»

Dagegen wird von deutschen Militärexperten mit großer Bestimmtheit behauptet, Russland könnte die Nato bereits in vier Jahren angreifen. Noch dramatischer klingt die Behauptung eines anderen Experten, dies sei möglicherweise der letzte Friedenssommer für uns Deutsche.

Der Bezug zu so einer heftigen Aussage ist offenbar das alle vier Jahre stattfindende Manöver «Zapad», also Westen, der Westgruppe der russischen Streitkräfte, das offenbar nach Ansicht dieses Experten eine Vorbereitung auf einen Angriff sein könnte. Das diesjährige Herbstmanöver soll im September mit etwa 13 000 Soldaten in Weißrussland stattfinden und von OSZE-Manöverbeobachtern begleitet werden. Mit derartigen Aussagen kann man sich medienwirksam in Szene setzen, das ist aber auch alles.

Auch in Schweizer Medien wird immer häufiger argumentiert, dass Russland, wenn es den Krieg gegen die Ukraine gewonnen habe, zunächst als Test ein weiteres Land angreifen würde, um zu sehen, ob und wie die Nato darauf reagieren würde. Es gibt auch Stimmen, die behaupten, Russ­land werde weitere Länder in Europa angreifen.

Ähnlich wird in Deutschland argumentiert. Zunächst müsste die Frage beantwortet werden, was es in diesem Fall bedeutet, den Krieg zu gewinnen. Ist es die Eroberung der gesamten Ukraine? Das ist offensichtlich nicht Russlands Absicht. Oder ist es die Eroberung des Donbas? Das wäre keine gute Ausgangslage für weitergehende Angriffe. Im Übrigen würde ein Angriff auf einen Nato-Mitgliedsstaat bedeuten, dass sich Russland im Krieg mit der gesamten Nato befände. Ich habe große Zweifel, dass Russland bereit ist, ein existenzielles Risiko für einen derartigen Test in Kauf zu nehmen.

Mein gesunder Menschenverstand zweifelt daran.

Die Umstellung auf Kriegswirtschaft und die erhöhte Produktion von konventionellen Waffensystemen während des Krieges sind kein hinreichender Beweis, dass Russland anstrebt, in wenigen Jahren die Fähigkeit zu erlangen, einen Krieg gegen die Nato erfolgreich führen zu können, auch nicht die Absicht, ihn führen zu wollen.

Die Kriegsrhetoriker denken offenbar in den Kategorien des Ukraine-Kriegs, einer Mischung aus Grabenkrieg des Ersten Weltkriegs und einem Bewegungskrieg in der Art des Zweiten Weltkriegs. Ein großer europäischer Russland-Nato-Krieg wäre jedoch ein ganz anderer Krieg als der, den wir in der Ukraine sehen. Zudem ist die amerikanische Regierung überzeugt, dass ­Russland für die Rekonstitution und Vergrößerung seiner Landstreitkräfte zehn Jahre braucht. Dieser Zeitraum entspricht den Erfahrungen aus grundlegenden Streitkräftereformen. Dagegen sind Russlands militärische Fähigkeiten zu regionaler und globaler Machtprojektion durch den Ukraine-Krieg nicht beeinträchtigt worden. Die Luft- und Seestreitkräfte sind uneingeschränkt einsatzfähig und teilweise sogar wesentlich moderner und leistungsfähiger als ­zuvor. Weitreichende Präzisionsangriffssysteme, einschließlich verschiedener Hyperschallwaffen und Raketen mit unabhängig steuerbaren Gefechtsköpfen stellen ein überlegenes Potential für eine Kriegsführung über große Distanzen dar. Die französischen und britischen Regierungen wären gut beraten, diese Tatsache bei ihren Plänen, Streitkräfte in der Ukraine zu dislozieren, nicht zu ignorieren.

Die russischen Streitkräfte sind nun schon seit Monaten auf dem Vormarsch und drängen die ukrainischen Verteidiger langsam, aber unaufhaltsam zurück. Russland nähert sich zusehends seinem Ziel, die vier annektierten Regionen in ihren früheren Verwaltungsgrenzen vollständig zu erobern. Ich sage bewusst «nähert», weil es nicht sicher ist, dass Russland dieses Ziel in der verbleibenden Zeit vor einem umfassenden Waffenstillstand erreicht.

Im Augenblick ist die militärische Lage durch die Rückeroberung der russischen Region Kursk gekennzeichnet. Die ukrainische Führung glaubte, dieses Gebiet gegen russische Eroberungen ukrainischen Territoriums eintauschen zu können. Eine Entscheidung mit gravierenden strategischen Konsequenzen. Denn durch den Abzug kampfstarker Verbände wurden die ukrainischen Streitkräfte so stark geschwächt, dass sie nicht mehr in der Lage sind, den russischen Vormarsch aufzuhalten, sondern nur noch zu verzögern. Ich habe den Eindruck, dass die Russen gegenwärtig ihre offensiven Anstrengungen verstärken, um so viel Land wie möglich in den vier Regionen zu erobern, die sie am 22. September 2022 annektiert haben.

Die Russen richten sich darauf ein, dass es in nicht zu ferner Zukunft einen Waffenstillstand geben wird. Sie haben immer gesagt, die tatsächlich entstandenen Verhältnisse müssten berücksichtigt werden. Bei einem Waffenstillstand soll der dann bestehende Frontverlauf durch eine demilitarisierte Zone eingefroren werden. Dann stellt sich die Frage, wenn das gesamte annektierte Territorium bis dahin nicht vollständig erobert ist, was mit den Gebieten geschieht, die noch nicht unter der Kontrolle Russlands sind. Das wird in den Friedensverhandlungen eine der problematischen Fragen sein. Verzichtet Russland auf die bis dahin nicht eroberten, aber annektierten Gebiete, oder zieht sich die Ukraine daraus zurück?

Der aktuelle Stand der Friedensverhandlungen, bei denen wir eine große Dynamik beobachten können ist wie folgt: Die USA haben mit beiden Seiten exploratorische Gespräche geführt. Das ist notwendig und vernünftig, um die Positionen der beiden Seiten besser zu verstehen und Kompromissmöglichkeiten auszuloten. Danach wurden Verhandlungen über die Einstellung von Angriffen auf die Energieversorgung geführt. Es folgten Verhandlungen über eine Waffenruhe im Schwarzen Meer, die sogenannte Schwarzmeer-Initiative, die bisher noch nicht in Kraft getreten ist. Sie beinhaltet die Gewährleistung der sicheren Seefahrt, den Verzicht auf die Nutzung von Handelsschiffen für militärische Zwecke sowie den Verzicht auf Gewaltanwendung.

Der Waffenstillstand im Schwarzen Meer wurde in Parallelvereinbarungen zwischen den USA und Russland sowie zwischen den USA und der Ukraine vereinbart, jeweils zum selben Gegenstand. Damit waren beide Seiten einverstanden.

In der Vereinbarung zwischen den USA und Russland gibt es jedoch einen russischen Vorbehalt. Bevor sie in Kraft tritt, sollen die Sanktionen gegen die russische Landwirtschaftsbank und den freien Finanzverkehr aufgehoben werden. Zudem soll der Handel über das Swift-System abgerechnet werden. Ansonsten ist der Inhalt der Vereinbarungen identisch. Weiter wird ausdrücklich betont, dass beide Seiten an einem dauerhaften und tragfähigen Frieden arbeiten. Die Sanktionen sind bisher nicht aufgehoben worden, auch weil die Europäer dies verweigern. Geschieht dies, könnte der nächste Schritt ein allgemeiner Waffenstillstand sein. Offenbar hat es auch bereits Gespräche über Elemente eines Friedensvertrags gegeben. Trump hat kürzlich erklärt, Selenskyj und Putin seien zu einem Friedenschluss bereit. Der amerikanische Ukraine-Beauftragte, Kellogg, sprach von einem Verhandlungstand «am Rande eines umfassenden Waffenstillstands».

Jedoch die Europäer streben immer noch nach einer militärischen Lösung und die unterlaufen die Friedensbemühungen.

Macron und Selenskyj haben sich inzwischen getroffen und eine «Allianz der Willigen» geschmiedet. Was ist davon zu halten?

Wer die Entwicklungen der letzten Wochen genauer betrachtet, die vor allem von Frankreich und Großbritannien vorangetrieben werden, muss den Eindruck gewinnen, dass wir Gefahr laufen, in einen europäischen Krieg zu taumeln. Im Vergleich zum Beginn des Ersten Weltkriegs geschieht dies jedoch nicht schlafwandelnd, sondern wir sind hellwach. In der damaligen Zeit sahen die politischen Führer keine Alternative und konnten die Folgen dieses ersten modernen, technischen Krieges nicht beurteilen. Heute muss jeder Politiker wissen, was ein Nuklearkrieg bedeutet und alles in seiner Macht Stehende tun, um einen Krieg zu verhindern. Schließlich gibt es heute anders als damals eine Alternative: Präsident Trumps Friedensplan.

Zunächst hieß es, es ginge darum, so wie der amerikanische Plan es vorsah, dass eine demilitarisierte Zone von den Europäern überwacht wird. Soldaten der US-Armee sollten auf keinen Fall daran teilnehmen. Es stellte sich dann jedoch heraus, dass Frankreich und Großbritannien einen anderen Ansatz wählten. Möglicherweise auch deshalb, weil sie nicht über die Kapazitäten verfügen, um eine 1300 Kilometer lange Front zu überwachen. Nun planen sie, mit der Koalition der Willigen Truppen als eine Art Sicherheitsgarantie gegen einen russischen Angriff in der Ukraine zu stationieren.

Eine Friedenstruppe, die einen Waffenstillstand überwachen soll, muss unparteiisch sein. Sie braucht die Zustimmung beider Vertragspartner und dürfte nur zur Selbstverteidigung zur Waffe greifen. Jetzt sollen zu den Einsatzkräften von Frankreich und ­Großbritannien in der Größe von zwanzigtausend Mann Luft- und Seestreitkräfte im Schwarzen Meer hinzukommen. Das Kontingent soll nicht in der Ostukraine eingesetzt werden, sondern, wie es heißt, als Sperrriegel gegen erneute russische Angriffe dienen und Städte, Häfen und Energieinfrastruktur schützen. Also praktisch an der Seite der ukrainischen Streitkräfte eingesetzt werden, womit es offenkundig parteiisch ist. Russland hat bereits grundsätzlich abgelehnt, dass sich Streitkräfte aus Nato-Staaten auf ukrainischem Territorium aufhalten. Das ist auch einer der Kernpunkte der Verhandlungen. Die Ukraine wird nicht Mitglied der Nato, sondern bleibt neutral, so wie es ihre Verfassung vorsieht, und es werden keine fremden Streitkräfte auf ihrem Territorium stationiert. Wenn man diesen wichtigen Aspekt ignoriert, hat das durchaus das Potential, ein Friedensabkommen zu verhindern.

Also ist die Lage äußerst gefährlich, denn man könnte mit Nato-Truppen einen erneuten Angriff Russ­lands provozieren.

Zumindest würde man eine militärische Reaktion Russlands gegen die in der Ukraine eingesetzten Streitkräfte einer Koalition der Willigen herausfordern. Deshalb müssen sich alle, die der Koalition der Willigen angehören, darüber im Klaren sein, dass die Hoffnung, die USA werden zu Hilfe eilen, wenn es zum Krieg kommt, trügen könnte. Jedenfalls haben die USA sich bisher geweigert, eine derartige Zusage zu geben.

Ein Friedensvertrag kommt nur dann zustande, wenn beide Vertragspartner das akzeptieren. Sonst geht der Krieg weiter, und wenn die Truppen der Koalition der Willigen in die Ukraine einrücken, sind diese Länder im Krieg mit Russland.

Deutschland macht Milliarden Euro Schulden, um damit unter anderem Waffen für die Ukraine zu kaufen. Es werden ständig neue Waffen geliefert. Wo führt das hin?

Fortgesetzte Waffenlieferungen erlauben der Ukraine, noch einige Zeit standzuhalten, aber sie ermöglichen ihr nicht, die strategische Lage zu ihren Gunsten zu wenden. Dafür sind von Deutschland auch erhebliche Finanzmittel zugesagt worden, für 2025 und perspektivisch sogar bis 2029 insgesamt 11 Milliarden Euro. Man geht anscheinend davon aus, dass es keinen Friedensvertrag geben wird. Was nach Abschluss eines Friedensvertrags geschieht, ist eine andere Frage. Wenn beispielsweise vereinbart wird, dass die Ukraine verteidigungsfähig wird und sie dabei als eine Art Sicherheitsgarantie unterstützt werden soll, dann ist das etwas anderes.

Ein Teil der europäischen Staaten setzt offensichtlich weiterhin auf Krieg und will einen Frieden verhindern.

Fakt ist, dass unsere Politiker und Medien derzeit in beide Richtungen konfliktorientiert argumentieren. Russland werden Absichten auf einen Angriff gegen die Nato unterstellt, weshalb wir uns dringend auf einen Krieg vorbereiten müssten. Von den Amerikanern wird angenommen, dass sie nicht mehr zu ihrem Beistandsversprechen stehen und somit Europa und Amerika sicherheitspolitisch auseinanderdriften.

Worüber wir jedoch nicht reden, ist, warum das Verhältnis zu Amerika gestört ist. Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Trump unser Feindbild «Russland und Putin» nicht teilt. Und da Trump auch mit seinem innenpolitischen Kurs vielen europäischen Eliten ein Dorn im Auge ist, entwickeln die Europäer gerade das gemeinsame Feindbild «Putin und Trump». Die verantwortlichen Politiker scheinen nicht zu bedenken, was es für Europa bedeutet, allein in diesem Spannungsfeld zwischen den beiden nuklearen Supermächten bestehen zu müssen.

Und so stehen wir de facto vor einem Scherbenhaufen der europäischen Politik. Es gibt keinen konstruktiven Vorschlag, wie wir wieder eine stabile Friedens- und Sicherheitsordnung herstellen können – mit oder ohne Nato, mit oder ohne Vereinigte Staaten, mit oder gegen Russland.

Was soll mit der permanenten Kriegsstimmung in Deutschland erreicht werden?

Ich habe den Eindruck, dass es für manche Akteure vor allem darum geht, die bisherige Ukraine-Politik zu rechtfertigen. Gerade weil die Ukraine dabei ist, den Krieg militärisch zu verlieren, geht es darum, das eigene Handeln wenigstens moralisch zu legitimieren. Und ganz aktuell ist es auch der Versuch, eine Begründung dafür zu finden, dass wir mehr für unsere Verteidigung tun müssen.

Hierzu muss man jedoch sagen: Das Erste ist nicht vernünftig, und das Zweite ist unnötig. Denn unsere Verfassung schreibt in Artikel 87a ganz klar vor: «Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.» Daraus folgt, dass diese Streitkräfte über die Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung verfügen müssen.

Denn 2011 wurde eine Reform mit dem Titel «Die Neuausrichtung der Bundeswehr» durchgeführt, deren Ergebnis die Aufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung und die Reduzierung der militärischen Fähigkeiten auf Auslandseinsätze bedeutete. Begründet wurde sie damit, dass sich das Verhältnis zu Russland positiv entwickelt habe und ein konventioneller Angriff auf Europa und Deutschland nach wie vor unwahrscheinlich sei.

Ich habe von Anfang an gefordert, diese Fehlentwicklung zu korrigieren. Dass dies bisher nicht geschah, ist auf einen Mangel an geopolitischem Weitblick und strategischem Urteilsvermögen zurückzuführen. Es ist aber auch ein Verfassungsbruch, den die dafür Verantwortlichen nicht zugeben wollen. Denn die damaligen Regierungsparteien bilden jetzt die neue Regierung und übernehmen die Verantwortung, diese gravierende Fehlentscheidung zu korrigieren. Es reicht, das zu tun, was die Verfassung verlangt.

Wir müssen zur Landesverteidigung und zur Erfüllung unserer Bündnisverpflichtungen in der Lage sein. Ich favorisiere ein militärisches Gleichgewicht in Europa, weil es dazu führt, dass niemand ein Interesse verspürt, einen Angriffskrieg zu wagen.

Helmut Schmidt sagte, ein Gleichgewicht der Kräfte ist eine notwendige aber keine hinreichende Voraussetzung für Frieden. Ein militärisches Gleichgewicht muss politisch stabilisiert werden. Dazu muss kommen, dass man mit der anderen Seite redet, um ihre Interessen, Absichten und Fähigkeiten besser einschätzen zu können. Dazu müssen Abrüstungsverträge, Rüstungskontrolle und vertrauensbildende militärische Maßnahmen mit dem Ziel eines Gleichgewichts auf möglichst niedrigem Niveau kommen. Damit werden politische Verhältnisse geschaffen, die die Vorhersehbarkeit des politischen Handelns ermöglicht – wie es Helmut Schmidt formulierte.

Die heutige Kriegshysterie, die in der Bevölkerung Furcht und Zukunftsängste erzeugt, ist Ausdruck außen- und sicherheitspolitischen Versagens, begründet durch Inkompetenz, Ignoranz und Ideologie.

Die deutsche Politik und unsere Medien sprechen viel von Moral und Werten, von der sogenannten regelbasierten internationalen Ordnung und vom Völkerrecht, aber die Worte und Taten der Politiker sollten vor allem davon zeugen, dass sie sich unserer Verfassung verpflichtet fühlen. Die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik sollte auf drei Säulen stehen, die sich aus der Verfassung ergeben.

Das Grundgesetz fordert in der Präambel, dass Deutschland «als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt dient». Das ist die erste Säule.

Selbst unseren Beitritt zur Nordatlantischen Allianz hat die Verfassung nur unter einer Bedingung zugelassen. Denn Artikel 24 GG lautet: «Der Bund kann sich zur Wahrung des Friedens einem System gegenseitiger kollektiver Sicherheit einordnen; er wird hierbei Beschränkungen seiner Hoheitsrechte einwilligen, die eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen den Völkern der Welt herbeiführen und sichern.» Das ist die zweite Säule.

Die dritte Säule ist der Artikel 87a GG: «Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf.» Das bedeutet eine Verpflichtung für jede Bundesregierung, Streitkräfte zu unterhalten, die über die Fähigkeit verfügen, unsere Freiheit und Unabhängigkeit und unser Wohlergehen zu schützen und die territoriale Integrität unseres Landes zu verteidigen. Diese drei Säulen sind ein guter sicherheitspolitischer Kompass, egal, wer gerade in Deutschland regiert.

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