Die Queen kommt unter die Erde, aber kolonialer Anspruch und sozialer Kahlschlag bleiben.
Die Vertreter der Commonwealth-Staaten haben im Verhältnis besonders viele Plätze in der Kirche bekommen. So die Einschätzung der dpa zum Begräbnis von Queen Elizabeth II. am Montag (19.09.2022) in Windsor. Der Staatenverbund habe ihr sehr am Herzen gelegen, weiß die Agentur. So sehr, dass sie in den 70 Jahren ihrer monarchistischen Regentschaft kein Wort zu den zahllosen Verbrechen der britischen Krone verloren hat bzw. diese stillschweigend hinnahm. Aber es gibt auch die weiß regierten Mitgliedstaaten wie Kanada, dessen Premier Justin Trudeau das Verhältnis zur britischen Krone als »gut ausbalanciert« charakterisiert und keinen Anlass sieht, daran etwas zu ändern – im Gegensatz zur Hälfte der kanadischen Bevölkerung. In anderen Mitgliedstaaten wie Südafrika ist eine Debatte über kolonialen Raub seitens der Royals entbrannt – so schmückt der »geschenkte« Diamant, der unter dem Namen »Großer Stern von Afrika« bekannt ist, das royale Zepter. Andere wie Antigua und Barbuda haben bereits den Weg zur Abtrennung vom Commonwealth beschritten.
Unter den 2.000 Trauergästen in der Westminster Abbey waren auch Hunderte Staats- und Regierungschefs. Nicht eingeladen: Russland, das die Ausladung als »blasphemisch gegenüber dem Andenken von Elizabeth II.« und »zutiefst unmoralisch« geißelte, Belarus, Myanmar, Afghanistan, Venezuela und Syrien. Lediglich auf Botschafterebene geladen waren Iran, Nicaragua und Nordkorea. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman machte im letzten Moment einen Rückzieher und schickte Staatsminister Prinz Turki bin Mohammed Al Saud vor – möglicherweise, um sich nicht mit schlechter Publicity die glänzenden Beziehungen zum britischen Königshaus zu verderben, wie Recherchen des Portals Declassified UK aus dem vergangenen Jahr ausweisen: Über 200 Treffen im vergangenen Jahrzehnt, royale Reisen zu den autokratischen Monarchien, die mindestens 1,4 Millionen Pfund Steuern gekostet haben.
Dazu passend wurde King Charles III. am Freitag während seiner Prozession in Cardiff vorgeworfen: »Während wir uns abmühen, unsere Häuser zu heizen, müssen wir für Ihre Parade bezahlen.« Wofür seien eigentlich die 100 Millionen Pfund, die die Briten für ihn zahlten? Da noch nicht mit eingerechnet: die Kosten für das Aufgebot der Polizei, die am Montag nach eigenen Angaben den »größten Einsatz ihrer Geschichte« hatte.
Jenseits dessen kämpften die meisten Briten am Montag mit abgesagten Terminen und Operationen in Krankenhäusern, verschobenen Beerdigungen und geschlossenen Essensausgaben. Aber zum Glück gab es ja »die Schlange« derjenigen, die zum Sarg der Queen wollten. Wegen des Verbots, Essen und Trinken mit in die Westminster Hall zu nehmen, konnte die Wohltätigkeitsorganisation »The Felix Project« Hunderte Kilo an Lebensmitteln einsammeln – hauptsächlich Chips, Schokolade und Kekse: »Eine einzigartige Spende, die Hunderten Menschen helfen wird, die sich kein Essen leisten können«, so Geschäftsführerin Charlotte Hill gegenüber der Agentur PA.
Lichtblick am Ende dieses »Jahrhundertereignisses«: Nachdem Arbeitsniederlegungen zuletzt aus Pietätsgründen ausgesetzt worden waren, wollten die Gewerkschaften seit Montag abend wieder durchstarten. Den Anfang wollten die 500 Beschäftigten des Liverpooler Hafens machen, gefolgt von Ankündigungen der Bestreikung weiterer Infrastruktur.